Rechnet sich vor Gericht weiterhin Chancen aus: Der amtierende US-Präsident Donald Trump.

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Washington – In seinem ersten Fernsehinterview seit der Wahl hat der amtierende US-Präsident Donald Trump seine unbewiesenen Behauptungen zu angeblichem Wahlbetrug wiederholt. Die Wahl am 3. November sei "ein kompletter Betrug" gewesen, sagte Trump am Sonntag in einem Telefoninterview mit dem Sender Fox News.

Nach wie vor keine belastbaren Beweise

Trump erneuerte in dem fast einstündigen Gespräch seine Behauptung, wonach viele Tote abgestimmt hätten und es wegen der Zunahme der Briefwahl zu "massivem Betrug" gekommen sei. Bisher hat er keine Beweise für den angeblichen Betrug vorgelegt. US-Gerichte haben bereits zahlreiche Klagen abgeschmettert, mit denen er und seine republikanischen Verbündeten das Wahlergebnis anfechten wollten.

Klage in Pennsylvania abgewiesen

Erst am Freitag hatte ein Bundesrichter, der einst von Trump nominiert worden war, im Bundesstaat Pennsylvania eine wichtige Klage als unbegründet abgewiesen. US-Behörden und die Wahlleiter in den Bundesstaaten haben die Abstimmung als sicher und erfolgreich bewertet – es sind keine großen Betrugsfälle bekannt.

Trump weigert sich jedoch weiter, den Wahlsieg von Joe Biden anzuerkennen. Auf die Frage der Fox-News-Moderatorin Maria Bartiromo, ob es für ihn trotz der Niederlagen vor Gericht noch einen Weg zum Sieg gebe, sagte Trump: "Ich hoffe es." Er habe in den entscheidenden Bundesstaaten "tausende, zehntausende" Stimmen mehr bekommen als Biden. Soziale Netzwerke und insbesondere die Medien – die er erneut als "Feinde des Volkes" bezeichnete – unterdrückten die Wahrheit.

Heimspiel vor Supreme Court erhofft

Trump klagte zudem, dass es sehr schwer sei, seine Vorwürfe bis vor den Obersten Gerichtshof in Washington, den Supreme Court, zu bringen. Dort hofft Trump auf ein Heimspiel, weil sechs der neun Richter als konservativ gelten, drei davon wurden von ihm nominiert. "Man braucht einen Supreme Court, der willens ist, eine wirklich große Entscheidung zu treffen", sagte er.

Trumps gescheiterte Klagen in niedrigeren Instanzen lassen die Hoffnungen auf das Oberste Gericht jedoch als wenig realistisch erscheinen. Zudem wäre selbst ein für ihn günstiges Urteil zu einem Streit in einem Bundesstaat längst nicht genug, um ihm noch zum Sieg zu verhelfen.

306 Wahlleute für Biden

Biden wurde nach der Wahl von US-Medien zum Sieger erklärt. Er konnte sich nach bisherigem Auszählungsstand die Stimmen von 306 Wahlleuten sichern, deutlich mehr als die für einen Sieg nötigen 270. Das Wahlkollegium wird am 14. Dezember den nächsten Präsidenten und dessen Vize wählen. Das Ergebnis der Abstimmung wird allerdings erst am 6. Jänner offiziell bekanntgegeben. Biden soll dann am 20. Jänner vereidigt werden.

Behörde startete Übergabe

Trump ist seit der Wahl vergleichsweise selten öffentlich aufgetreten. Dabei vermied er es bis Donnerstag, sich Fragen von Journalisten zu stellen. Auf die Frage einer Reporterin erklärte er dann, dass er das Weiße Haus aus eigenen Stücken verlassen werde, falls Biden vom Wahlkollegium gewählt werden sollte. Spekulationen, wonach er eine erneute Präsidentschaftskandidatur 2024 plane, wollte Trump dabei nicht kommentieren.

Trumps Regierung hatte sich nach der Wahl zunächst geweigert, die gesetzlich vorgesehene geordnete Amtsübergabe ("transition") an Biden einzuleiten. Am Montag hatte die zuständige Behörde jedoch nachgegeben und den Weg geebnet, damit der Demokrat und sein Team schon vor der Amtseinführung Zugang zu Ministerien, Behörden und vertraulichen Informationen der Regierung bekommen sowie Millionen Dollar für Gehälter und andere Ausgaben. An diesem Montag soll Biden erstmals das streng vertrauliche Briefing der Geheimdienste bekommen, das normalerweise nur an den Präsidenten geht. (APA, 29.11.2020)