Grosjean wurde umgehend medizinisch betreut.

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Brawn will die Ausmaße des Unfalls aufklären.

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Die übrigen Teile der vorderen Hälfte von Grosjeans Auto. Der Halo hat fatale Folgen verhindert.

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Sakhir – Nach dem Feuerunfall von Romain Grosjean im Bahrain-GP am Sonntag hat Formel-1-Sportchef Ross Brawn eine umfassende Aufarbeitung angekündigt. "Zwischen jetzt und dem nächsten Rennen werden sehr viele Untersuchungen vorgenommen werden. Ich bin mir sicher, dass dann entsprechend gehandelt wird", sagte der Brite nach dem Crash des Haas-Piloten zu Sky Sports.

Kurz nach dem Start war Grosjean bei 221 km/h in die Leitplanke gekracht und hatte eine Einschlagwucht von über 50 g erzeugt. Dabei wurde sein Rennwagen in zwei Teile zerrissen. Der in Genf geborene dreifache Vater konnte sich aber auf wundersame Weise aus dem in Flammen aufgegangenen Wrack befreien und wurde mit Verbrennungen an beiden Handrücken ins Militärkrankenhaus von Manama geflogen.

Dort verbrachte er auch die Nacht, obwohl beim Röntgen keine Knochenbrüche festgestellt worden waren. Grosjean schickte noch in der Nacht Grüße und sagte: "Ich war vor einigen Jahren nicht für den Halo, aber es ist die großartigste Sache in der Formel 1." Grosjean wird am kommenden Wochenende nicht am nächsten Formel-1-Grand-Prix in Sakhir teilnehmen. Haas teilte mit, dass der Franzose durch den Brasilianer Pietro Fittipaldi ersetzt werde.

Brawn beschäftigte vor allem die Frage, wie sich das Monocoque in die Leitplanken bohren konnte und der Wagen Feuer fing. "Es ist schockierend, einen derart heftigen Unfall zu sehen. Wir sind das nicht mehr gewohnt, Feuer inklusive", sagte Brawn.

"Der Halo hat ihm heute wohl das Leben gerettet", war Brawn überzeugt. Der ringförmige und anfangs umstrittene Kopfschutz aus Titan über der Fahrerzelle ist seit 2018 in der Formel 1 Pflicht. Das englische Wort Halo heißt übersetzt Heiligenschein. "Heute sind Dinge passiert, die so nicht hätten geschehe dürfen", meinte Brawn. "Spätestens seit heute ist aber auch endgültig klar, dass Halo ein lebensrettender Teil ist."

Lebensrettende Konstruktion

Beim "Halo" handelt sich um einen Titanbügel von etwa sieben Kilogramm, der ringförmig über den Kopf des Fahrers im Cockpit gespannt und in der Mitte mit einer Strebe befestigt ist. Seine Einführung war vom Weltverband FIA gegen Kritik beschlossen worden. Grosjean selbst gehörte nicht zu den Befürwortern. Der "Halo" muss der FIA zufolge dem Gewicht von zwei afrikanischen Elefanten (bei zwei männlichen Tieren rund zwölf Tonnen) und einem vollen Koffer standhalten, der mit 225 km/h abgefeuert wird.

Die Konstruktion wurde als Reaktion auf schwere Unfälle eingeführt. Der Brasilianer Felipe Massa war 2009 in Ungarn durch eine Metallfeder schwer am Kopf verletzt worden. Er hatte die Saison vorzeitig beenden müssen und konnte erst 2010 wieder Rennen fahren. 2009 war zudem in der Formel 2 der 18-jährige Henry Surtees durch einen herumfliegenden Reifen in Brands Hatch tödlich getroffen worden.

"Noch nie gesehen"

Als Erste an der Unfallstelle am Sonntag waren Formel-1-Arzt Ian Roberts und der Lenker des Medical Car, Alan van der Merwe. "In zwölf Jahren habe ich so etwas noch nicht gesehen", sagte van der Merwe. "Noch nie war ich Zeuge eines solchen Einschlags. Deshalb haben wir einige Augenblick gebraucht, um zu verstehen, was da passiert ist. Es hat sich wie eine Ewigkeit angefühlt."

Grosjean blieb glücklicherweise bei Bewusstsein

Mercedes-Teamchef Toto Wolff gab sich nachdenklich. "Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie dieser Unfall noch vor einigen Jahren ausgegangen wäre", meinte der Österreicher. Der Unfall sei durchaus mit jenem von Niki Lauda auf dem Nürburgring vergleichbar. Auch Laudas Auto sei damals in zwei Teile zerrissen worden.

"Was das heute aber so viel schockierender gemacht hat, ist, dass das Monocoque in den Leitplanken gesteckt ist", so Wolff. "Man mag sich gar nicht ausmalen, wenn wir kein Halo hätten oder er bewusstlos gewesen wäre oder keinen Platz gehabt hätte, um aus dem Auto zu kommen."

Deshalb, so Wolff, müsse man sich in Erinnerung rufen, dass in diesem Sport nur die besten und mutigsten Fahrer fahren. "Und dass es nicht, wie in manchen Kamerawinkeln, wie ein Cruisen in den Sunset aussieht. Das ist richtig tougher Sport." Man hätte die Mercedes-Autos wohl vom Rennen zurückgezogen, wäre Grosjean bei dem Unfall schwerer verletzt worden.

Entsetzung und Erleichterung

Rennsieger Lewis Hamilton war entsetzt, aber auch erleichtert. "Ich bin unendlich dankbar, dass ihn die Leitplanke nicht schwer am Kopf verletzt hat. Es hätte alles viel, viel schlimmer ausgehen können."

Red Bulls Teamchef Christian Horner war fassungslos. "Schrecklich. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Fahrer so einer Situation entkommen kann. Romain Grosjean ist heute ein sehr, sehr glücklicher junger Mann." (APA, 29.11.2020)