Kurz nach dieser Szene eskalierte die Situation: Die Polizisten prügelten wild auf den am Boden liegenden Zecler ein.

Foto: AFP / MICHEL ZECLER / GS GROUP

Paris – Wegen eines Angriffs auf den schwarzen Musikproduzenten Michel Zecler sind in Frankreich in der Nacht auf Montag Ermittlungen gegen vier Polizisten aufgenommen worden. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Montag aus Justizkreisen erfuhr, kamen zwei von ihnen in Untersuchungshaft. Zwei weitere befinden sich demnach unter Justizaufsicht. Der brutale Polizeieinsatz in Paris hatte in den vergangenen Tagen landesweit für Empörung und Proteste gesorgt.

Ein am Donnerstag veröffentlichtes Video zeigt, wie mehrere Polizisten den Musikproduzenten im Eingang seines Produktionsstudios massiv zusammenschlagen. Zecler hatte ohne Mund-Nasen-Schutz auf die Straße gehen wollen, war aber wieder umgekehrt, als er eine Polizeipatrouille sah. Im Eingang seines Studios wurde der 41-Jährige dann von den Beamten brutal zusammengeschlagen, wie das Überwachungsvideo beweist.

Vorwurf der rassistischen Gewalt

Drei der Beamten werden unter anderem rassistische Gewalt durch Amtspersonen, Hausfriedensbruch und Dokumentenfälschung vorgeworfen. Dem vierten Beamten werden etwa Gewalt durch Amtspersonen und Sachbeschädigung zur Last gelegt.

Noch am Sonntagabend hatte die Pariser Staatsanwaltschaft gefordert, Ermittlungsverfahren gegen die vier Beamten zu eröffnen. Ein solches Verfahren kann am Ende zu einem Strafprozess führen, falls die Ermittler ausreichend Beweise gegen die Beschuldigten sehen. Andernfalls können sie das Verfahren auch wieder einstellen.

Darmanin: "Uniform der Republik beschmutzt"

Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin hatte die Entlassung der Polizisten gefordert, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Sie hätten "die Uniform der Republik beschmutzt". Er selbst soll sich nun unter wachsendem politischen Druck am Montag in der Nationalversammlung zu den Vorfällen erklären. Präsident Emmanuel Macron hatte die Gewalt als inakzeptabel verurteilt.

Der Angriff auf den Musikproduzenten ist bereits der zweite Fall von Polizeigewalt, der in der vergangenen Woche in Frankreich für Entsetzen und massive Kritik gesorgt hat. Am vergangenen Montag zirkulierten Videos einer brutalen Räumung eines provisorischen Zeltlagers von Migranten auf der Pariser Place de la République. Auch hier laufen Untersuchungen.

Umstrittenes Sicherheitsgesetz

Die Vorfälle haben die ohnehin schon heftige Debatte um ein geplantes Sicherheitsgesetz in Frankreich weiter angeheizt. Das Gesetz soll laut Regierung die Polizei besser schützen. Besonders umstritten ist dabei ein Artikel, der die Veröffentlichung von Bildern von Sicherheitsbeamten im Einsatz unter Strafe stellt, wenn diese mit dem Ziel erfolgt, die körperliche oder seelische Unversehrtheit der Polizisten zu verletzen. Eine Gefängnisstrafe von einem Jahr oder eine Strafe von 45.000 Euro könnten die Konsequenz sein. Das Unterhaus hat dem Vorhaben bereits zugestimmt, nun ist der Senat am Zug.

Am Wochenende zogen landesweit mehr als 100.000 Menschen durch die Straßen, um gegen das geplante Gesetz sowie Polizeigewalt zu demonstrieren. Allein in Paris waren es laut Innenministerium 46.000. Die Veranstalter sprachen von insgesamt 500.000 Demonstranten und 200.000 in der Hauptstadt.

Juristen zufolge würde das Gesetz die Pressefreiheit stark beeinträchtigen: Mit Verweis auf die neue gesetzliche Grundlage könnte die Polizei am Schluss einer Demonstration auch von Journalisten die Herausgabe gefilmter Gewaltszenen verlangen. "Wenn wir das Video nicht hätten, säße jetzt Michel Zecler in U-Haft", sagte seine Anwältin Hafida El Ali. "Denn ohne Filmbeleg steht Aussage gegen Aussage, und alle wissen, dass das Wort eines Polizisten mehr Gewicht hat." In der Affäre hatten die Polizisten im Nachhinein offensichtlich auch im Einsatzprotokoll gelogen. Das gegen sie eingeleitete Verfahren lautet jedenfalls nicht nur auf Gewaltanwendung, sondern auch auf Falschaussage. Mittlerweile musste auch Justizminister Éric Dupond-Moretti einräumen, dass die Affäre um Zecler ohne Überwachungskamera "nicht bekannt geworden wäre". (APA, red, 30.11.2020)