Die Stabilität des ostantarktischen Eisschildes wird durch verhältnismäßig warmes Meerwasser gefährdet.

Foto: Jörg Pross

Dass die Eiskappen unseres Planeten und ihre Entwicklung über das Steigen und Fallen des Meeresniveaus miteinander verbunden sind, haben erst kürzlich Forscher im Fachjournal "Nature" berichtet. Knapp zusammengefasst lautet deren Erkenntnis: Schmilzt das arktische Eis und steigt dadurch der Meeresspiegel, wird die Unterlage insbesondere der ostantarktischen Gletscher destabilisiert, die Eismassen schwimmen auf und brechen leichter ab oder werden auch von unten zusätzlich angetaut.

Dass es um die Zukunft des Ostantarktischen Eisschildes nicht allzu gut bestellt ist, hat ein internationales Forscherteam nun mit weiteren Belegen für die entdeckten Zusammenhänge bestätigt. Die in der Fachzeitschrift "Pnas" veröffentlichten Analyse von Tiefseesedimenten ergab, dass die Eismassen der Ostantarktis in einem sich erwärmenden Klima weitaus weniger stabil sein könnten als bislang angenommen.

2,5 Millionen Jahre alte Tiefseesedimente

Bisher wurde davon ausgegangen, dass der Ostantarktische Eisschild allein aufgrund seiner schieren Größe und Mächtigkeit dem Klimawandel gegenüber weniger empfindlich ist als die restlichen Eisschilde. Für ihre Untersuchungen werteten die Forscher um Kim Jakob von der Universität Heidelberg Daten aus, die sie aus rund 2,5 Millionen Jahre alten Tiefseesedimenten gewonnen hatten. Sie konnten dadurch die Faktoren bestimmen, die für die Stabilität des Ostantarktischen Eisschildes verantwortlich sind.

"Das Abschmelzen der polaren Eisschilde hat zur Folge, dass der globale Meeresspiegel steigt. Dies wird für Küstengebiete zu einem immer bedrohlicheren Problem", erläutert Jakob. Um die vergangenen Veränderungen der großen Eismassen in der Ostantarktis besser zu verstehen, hat das Forscherteam Tiefseeablagerungen aus dem Atlantischen Ozean geochemisch analysiert. Die Sedimente wurden im Rahmen des Integrated Ocean Drilling Program (IODP) gewonnen, einem internationalen Wissenschaftskonsortium zur Erforschung der Meeresböden.

Sinkender CO2-Gehalt

Mithilfe dieser Analysen konnte der globale Meeresspiegel, der wiederum Veränderungen im globalen Eisvolumen widerspiegelt, für das Zeitintervall von vor rund 2,8 bis 2,4 Millionen Jahren rekonstruiert werden. In dieser Phase sanken hohe atmosphärische CO2-Konzentrationen von Werten ähnlich zu denen, wie sie für die nahe Zukunft prognostiziert werden, auf ein Niveau, das mit dem vorindustriellen CO2-Gehalt der Atmosphäre vergleichbar ist. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen erstmals, dass der Ostantarktische Eisschild vor rund 2,5 Millionen Jahren einen weitaus stabileren Zustand erreichte, als dies in älteren erdgeschichtlichen Zeitabschnitten der Fall war.

Neben den klassischen Treibern für die Dynamik von Eismassen – der Intensität der Sonneneinstrahlung und dem CO2-Gehalt der Atmosphäre – war für diese Stabilisierung des Ostantarktischen Eisschildes mindestens ein weiterer, bis dahin nicht berücksichtigter Faktor ausschlaggebend – die Bildung großer Gletscher auf der Nordhemisphäre der Erde, die den globalen Meeresspiegel sinken ließen. Das Eis in der Ostantarktis war damit weniger stark dem Kontakt mit vergleichsweise warmem Meerwasser ausgesetzt. So verringerte sich auch das Potential des Meerwassers, Teile des Eisschildes von unten aufzuschmelzen.

Zustände wie vor Jahrmillionen

Die Ergebnisse der Studie tragen dazu bei, die Dynamik der globalen Eisschilde unter erhöhten atmosphärischen CO2-Konzentrationen, wie sie in naher Zukunft erwartet werden, besser zu verstehen. Das Abschmelzen von Eismassen auf der Nordhemisphäre im Zuge des anthropogenen Klimawandels und der daraus resultierende Anstieg des globalen Meeresspiegels könnte zu einer erneuten Destabilisierung des Eisschildes in der Ostantarktis führen. (red, 8.12.2020)