Im Wiener Donauzentrum herrscht gähnende Leere. Ab nächster Woche könnte sich das ändern – um das Weihnachtsgeschäft zu retten.

Foto: APA/Pfarrhofer

Die dritte Woche des Lockdowns bricht an. Werden die Zahlen der Corona-Infektionen in den verbleibenden Tagen so stark zurückgehen, dass ab nächster Woche einzelne Bereiche des Lebens wieder hochgefahren werden können? Die Bundesregierung hat angekündigt, erst Mitte der Woche dazu Stellung zu nehmen. Doch wie sehen die einzelnen Szenarien aus? Und wie ist die Entwicklung der Fallzahlen aus Sicht der Wissenschaft einzuordnen? DER STANDARD bringt die wichtigsten Fragen und Antworten.

Frage: Laut Plan soll der Lockdown am 7. Dezember enden. Welche Zahlen müssen erreicht werden, damit es Lockerungen geben kann?

Antwort: Die Politik nennt keine Zahl als Vorgabe für Lockerungen, und auch Experten tun sich schwer: Es hänge von den Begleitmaßnahmen ab, die gesetzt werden. Derzeit würden Prognosen für den Verlauf in den nächsten sieben Tagen erstellt. Dann müssten die Politiker ein Maßnahmenpaket für Schulen und Handel schnüren, sagt der Simulationsforscher Niki Popper im Gespräch mit dem STANDARD.

Mit 2.748 Neuinfektionen von Sonntag auf Montag hat sich die Fallzunahme in Österreich zwar weiter eingebremst. Der Wert sei aber immer noch sehr hoch, sagt der Mathematiker und Statistiker Erich Neuwirth. Um etwa den für ein Ende der deutschen Reisewarnungen nötigen Wert von 50 Neuinfektionen pro Tag und 100.000 Einwohner im Siebentagesdurchschnitt zu erreichen, dürfe das tägliche Infektionsplus nur "640 bis 650 Fälle" betragen. Mit fortgesetzt harten Lockdown-Maßnahmen sei dieser Wert im besten Fall um den 18. Dezember zu erreichen.

Frage: Wie ist der Verlauf der Zahlen? Wenn sie sich so weiterentwickeln wie bisher – wo stehen wir dann am 7. Dezember?

Antwort: Popper geht davon aus, dass sich nächste Woche die Fallzahlen "im niedrigen vierstelligen Bereich" befinden werden, Neuwirth sagt dann "rund 2.000 neue Fälle täglich" voraus. Bis dato, so Neuwirth, basiere das Abbremsen der Infektionszahlen mit täglich rund 25 Prozent ausschließlich auf dem Soft Lockdown, erst mit diesem Dienstag – und dann bis Mitte Dezember – sollte der härtere Lockdown mit Abnahmen von rund 50 Prozent pro Tag Folgen zeigen. Wie es ab kommender Woche konkret weitergehe, hänge vom "Maßnahmenbaukasten" ab. Laut Popper sind die vor der Umsetzung stehenden Massentests nur ein Teil davon. Ebenso sei es wichtig, dass das Contact-Tracing wieder funktioniere, "zumindest zu 75 Prozent", sagt Neuwirth.

Frage: In welcher Reihenfolge will die Regierung die einzelnen Bereiche hochfahren?

Antwort: Am Mittwoch soll im Ministerrat beschlossen werden, wie es ab nächster Woche weitergeht. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Wochenende angedeutet, dass es weiter "massive Einschränkungen" geben werde. Ziel sei es, ab 7. Dezember im Handel und für Schulen "vorsichtige Öffnungsschritte" zu setzen.

Frage: Welche Sicherheitsvorkehrungen sind an Schulen angedacht?

Antwort: Lehrerinnen und Lehrer werden am 5. und 6. Dezember bundesweit getestet. Die Tests sind freiwillig. FFP2-Masken stünden nun zur Verfügung, kündigte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) an. Angedacht sind außerdem gestaffelte Beginnzeiten und die Verlegung von Klassen in größere Räume. Dazu wurden die Kommunen aufgefordert, Objekte anzumieten, etwa Festsäle in Gemeinden. In ganz Österreich soll es bald auch Antigen-Schnelltests für alle Schüler geben, sobald sie Symptome zeigen. Dann müssten Klassen bei falschem Verdacht nicht mehr heimgeschickt werden, sagt eine Sprecherin des Ministers. Für Schüler ist auch eine Maskenpflicht angedacht – noch nicht fix ist, für welche Altersgruppe sie gelten wird.

Frage: Unter welchen Auflagen soll der Handel wieder aufmachen?

Antwort: Pro zehn Quadratmeter nur ein Kunde gilt als fix. Der Handelsverband kündigt an, dass Shoppingcenter in Abstimmung mit den Behörden auch Corona-Schnelltests in den Eingangsbereichen anbieten wollen.

Frage: Welche Voraussetzungen braucht es, damit die Gastronomie öffnen kann?

Antwort: Nach dem Lockdown müsse es möglich sein, wieder in ein Lokal zu gehen – mitsamt "klarer Spielregeln", sagt der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Die Bundesregierung will hier aber offenbar noch zuwarten. Die Branche selber ist sich uneins: Der Spartenobmann in der Wirtschaftskammer sagte, Lockerungen seien nach Silvester sinnvoll. Dafür erntete er harsche Kritik einzelner Betriebe, die schon früher öffnen wollen.

Frage: Welche Rolle spielen die Massentests? Wie werden sie die Statistik beeinflussen?

Antwort: Popper sagt, je mehr Menschen daran teilnehmen, umso besser. Dadurch könne es gelingen, Cluster aufzudecken, die bisher unerkannt waren. Neuwirth betrachtet sie als gute weitere Grundlage für eine "Schätzung der Dunkelziffer". Ohne fortgesetzte Einschränkungen würden sich durch die Massentests "erneute Steigerungen zeitlich nur verschieben". Werde wie im Frühjahr zu viel zu rasch wieder aufgemacht, drohe "die nächste exponentiell wachsende Welle" – und damit ein weiterer, dritter Lockdown.

Frage: Wie gehen andere Länder mit Lockerungen um?

Antwort: In Frankreich sind seit Samstag Geschäfte wieder geöffnet, Mitte Dezember werden die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben. Restaurants und Fitnesscenter öffnen erst am 20. Jänner. In Deutschland wurden die Maßnahmen bis Anfang Jänner verlängert. In Israel wird nach einem harten Lockdown seit Mitte Oktober wieder schrittweise hochgefahren. (Irene Brickner, Rosa Winkler-Hermaden, 1.12.2020)