Digitale Größenverhältnisse auch in der Werbung zwischen ORF.at und dem Weltwerbemarktführer Google nach der Prognose von ORF-Chef Alexander Wrabetz (Montage).

Foto: Montage Google/ORF.at

Wien – Im Wettbewerb um Werbung aus Österreich werden digitale Riesen wie Google, Facebook, Amazon, Apple und Co alle österreichischen Medien weit hinter sich lassen. Das Szenario präsentierte ORF-General Alexander Wrabetz seinen Stiftungsräten am Montag im Finanzausschuss. Die für 2022 avisierte GIS-Erhöhung werde die Abmeldungen nicht abfangen können, die sich mit Verweis auf reine Streamingnutzung aus der Rundfunkgebühr verabschieden.

GIS-Gebührenerhöhung ab 2022

Wie hoch die Gebührenerhöhung ausfallen wird, die der ORF bald nach der Generalswahl 2021 beantragen dürfte, bezifferte Wrabetz noch nicht, soweit aus dem Finanzausschuss zu erfahren. Die Inflationsrate seit 1. April 2017, als die GIS-Gebühr zuletzt um 6,5 Prozent erhöht wurde, bis Oktober 2020 betrug laut Statistik Austria 5,5 Prozent.

Der ORF muss die Höhe seines Gebührenbedarfs spätestens alle fünf Jahre neu berechnen und auch der Medienbehörde Komm Austria glaubhaft machen, wie viel Geld er zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags braucht.

Für 2020 rechnet der ORF mit 644,9 Millionen Euro Einnahmen aus der GIS, die damit rund zwei Drittel seines Jahresumsatzes von einer Milliarde Euro ausmacht. 2,3 Millionen weniger als für das laufende Jahr geplant. Ein Höchststand an Menschen ohne Arbeit (und in Kurzarbeit) macht sich auch bei Gebührenbefreiungen bemerkbar. Geringes Haushaltsnettoeinkommen entbindet von der Gebührenpflicht (unter 1.082,65 Euro in Einpersonenhaushalten und unter 1.707,99 bei zwei Personen etwa).

Gebühren-Lücke

Im Szenario von ORF-General Wrabetz bis 2024 sollen weniger die Befreiungen aus sozialen Gründen im Vordergrund gestanden sein als die Abmeldungen von den Gebühren mit dem Argument, man habe sich vom Rundfunkempfang verabschiedet. Nur für empfangsbereite Rundfunkgeräte muss GIS-Gebühr entrichtet werden, entschied der Verwaltungsgerichtshof 2015.

Für reines Streaming auf Laptop oder Mobiltelefon ist demnach keine Gebühr zu zahlen. (Aber: A1 definiert sein TV-Angebot als Kabelnetz – womit die GIS wieder ins Spiel kommt.)

Aus der Sicht des überwiegend gebührenfinanzierten ORF ist das eine "Streaminglücke" auch in seinen Finanzen. Auf der Wunschliste des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an den Gesetzgeber steht schon eine Weile GIS auch für Streaming. Deutschland und die Schweiz haben sich mit Haushaltsabgaben schon aus dieser geräteabhängigen Gebührenpflicht verabschiedet.

Digitaler Wunschzettel

Das Schließen dieser Streaminglücke ist nur ein Teil des digitalen ORF-Wunschzettels. Im Reality-Check stehen derzeit kleinere digitale Erleichterungen weiter oben: Die vor dem ORF-Wahlsommer 2021 geplante Streamingplattform ORF-Player würde erleichtern, wenn der öffentliche Rundfunk Videobeiträge allein oder zuerst für Onlineabruf produzieren dürfte, helfen würde etwa auch ein Ende der Sieben-Tage-Beschränkung für das Nachsehen von ORF-Programmen. Eine solche Digitalnovelle für den ORF verzögerte sich mit den Wunschlisten von Mitbewerbern aus TV, Radio und Print.

Der sogenannte ORF-Player (Arbeitstitel war etwa auch "ORF On") und die Umstellung vom Rundfunkhaus zum Plattformunternehmen ist auch das Kernstück des ORF-Strategiekonzepts bis 2025, das die ORF-Stiftungsräte am Donnerstag beschließen sollen. Wrabetz hat das Konzept mit den wichtigsten Stiftungsräten seit Sommer ausgearbeitet. Die Digitalstrategie bedeutet, konsequent umgesetzt, auch einen grundlegenden internen Umbau des weitaus größten österreichischen Medienkonzerns.

Zwei Werbemilliarden aus Österreich für Google und Co

Das Strategiepapier begleitete ORF-General Wrabetz am Montag im Finanzausschuss mit einer wirtschaftlichen Prognose über die nächsten Jahre ein. Der Fokus: digitale Hürden und Herausforderungen – wie die Gebührenlücke durch GIS-freies Streaming und bei den unter 30-Jährigen schon deutlich höhere Streamingnutzungszeit als lineares Fernsehen. Und die Dominanz der digitalen Riesen wie Google, Facebook, Amazon und Co auch im österreichischen Werbemarkt.

Wrabetz prognostiziert für 2024, dass die globalen Digitalkonzerne mehr österreichisches Werbegeld einnehmen als alle österreichischen Medien zusammen. Zwei Milliarden Euro würden Google und Co dann in Österreich umsetzen, schätzt er vor seinen Stiftungsräten.

2020 dürften die Online-Giganten rund eine Milliarde Euro in Österreich mit Werbung umsetzen, rechnete DER STANDARD im Spätsommer aus der seit Jahresbeginn neuen Digitalwerbesteuer für internationale Konzerne hoch.

Derzeit Drittel des Werbevolumens an Digitalriesen

Bis einschließlich Juli liegen die aus Digitalsteuer hochgerechneten internationalen Digital-Werbeumsätze in Österreich bei 564 Millionen Euro, die Einnahmen anderer Werbeträger (inklusive Prospektwerbung) bei 960 Millionen Euro (Wert für Werbevolumen korrigiert, irrtümlich waren hier in der ersten Berechnung November und Dezember 2019 inkludiert).

Google, Facebook und Co dürften damit nach neuen STANDARD-Berechnungen (auf der Basis der ersten sechs Monate 2020) schon jetzt rund 33 Prozent der klassischen (Netto-)Werbeeinnahmen in Österreich lukrieren – sie wären damit größer als alle Printwerbung zusammen, ebenso größer als TV-Werbung insgesamt.

Der ORF erwartet für 2020 klassische Werbeeinnahmen (ohne Sonderwerbeformen) von insgesamt 200 Millionen Euro, 10,8 Millionen unter dem Plan für das laufende Jahr. Die (gesetzlich limitierte) Onlinewerbung bewegt sich im ORF um 16 bis 17 Millionen Euro. (fid, 1.12.2020)