Die Einkommensungleichheit veränderte sich in Österreich nicht stark – ebenso stagnieren über alle Gruppen hinweg aber die Realeinkommen seit mehr als zehn Jahren.

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Die untere Hälfte der österreichischen Einkommensbezieher verdient weniger als ein Viertel der insgesamt im Land erzielten Einkünfte. Die heimische Umverteilungspraxis sorgt allerdings dafür, dass ihr Anteil nach Steuererleichterungen und Zuwendungen auf mehr als ein Drittel der Realeinkommen steigt. Das ist eines der Erkenntnisse einer aktuellen Studie von Ökonomen der WU Wien und des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche.

Die am besten verdienenden zehn Prozent kamen demnach 2016, im aktuellsten Erhebungsjahr, auf zunächst mehr als 33 Prozent des Kuchens. Die höhere Abgabenlast senkt diese Quote nach Steuern auf rund 24 Prozent. Für die übrigen vierzig Prozent der Lohn- und Gehaltsbezieher ändert das Einkommensteuerwesen nur wenig – ihr Anteil an den nationalen Gesamteinkünften beträgt 43,1 Prozent vor und 41,2 Prozent nach Steuern.

In der folgenden Grafik finden Sie die Kurven für die drei genannten Gruppen im langjährigen Vergleich vor Steuern (gestrichelte Linien) und nach Steuern (durchgehende Linien).

Die langjährige Entwicklung zeigt, dass sich die heimische Einkommensungleichheit noch vor dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 zu verringern begann. Nachdem die Imbalance 2006 ihr Maximum erreicht hatte, sank der Anteil der oberen zehn Prozent an allen Einkommen bis 2012 sowohl vor als auch nach Steuern um etwa fünf Prozentpunkte. Umgekehrt vergrößerte sich der Anteil der unteren 50 Prozent bei beiden Kennzahlen leicht.

Die Nach-Steuern-Werte stagnierten in der Folge bis 2016 bei allen drei Gruppen ohne größere Abweichungen. Insgesamt profitieren laut dem Papier zwei Drittel der Beschäftigten in Österreich von den Umverteilungsmaßnahmen.

Keine höheren Verdienste

Dass die Ungleichheit weitgehend gleichgeblieben ist, bedeutet aber nicht, dass Einkommensbezieher über alle sozialen Schichten hinweg im Gleichschritt zu höheren Verdiensten gelangen. Im Gegenteil: Die kaufkraftbereinigten Realeinkommen waren sowohl bei Besser- als auch bei Durchschnitts- und Geringverdienern 2019 nicht höher als im Jahr der Finanzkrise.

So betrug das Bruttojahreseinkommen eines durchschnittlichen Vollzeitbeschäftigten im Vorjahr gut 42.000 Euro. Nominell waren das 2008 noch etwa 33.000 Euro. Kaufkraftbereinigt mit dem Euro-Niveau von 2019 kam dieser Anstieg allerdings nicht auf den Konten der Einkommensbezieher an. (Moritz Leidinger, Michael Matzenberger, 1.12.2020)