Das Schiffernakel vor dem Untergang.

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Kapstadt – Jean Le Cam stand in tiefer Nacht an Deck seiner Yacht und suchte verzweifelt das tosende Meer ab. Irgendwo in der Nähe musste sein Kollege Kevin Escoffier sein, der bei der Vendee Globe ein SOS-Signal gefunkt hatte und hunderte Seemeilen vor Kapstadt elfeinhalb Stunden zwischen fünf Meter hohen Wellen ausharrte. Auf einem Rettungsfloß.

"Plötzlich sah ich einen Blitz", berichtete der 61-jährige Le Cam später über die spektakuläre Rettungsaktion in finsterer Nacht. Eine Reflexion, er fuhr sofort in die Richtung. "Man schaltet um, aus Verzweiflung wird ein unrealer Moment", sagte der Franzose, der seinem 40 Jahre alten Landsmann Escoffier schließlich einen Rettungsring zuwarf. Um 2:18 Uhr ging bei der Rennleitung die ersehnte Nachricht ein.

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Der in Seenot geratene Skipper war wohlauf und berichtete später emotional aufgewühlt, wie sein Boot in zwei Teile gebrochen und er in Lebensgefahr geraten war. Surreal sei es gewesen. Wie in einem Film, "nur schlimmer", sagte Escoffier: "Binnen vier Sekunden ist die Nase des Schiffes abgetaucht, der Bug ist um 90 Grad abgeknickt, überall war Wasser und ich musste sofort die Nachricht schicken, bevor die Elektronik den Geist aufgibt." Darin stand: "Ich brauche Hilfe. Ich sinke. Das ist kein Witz."

Ereignet hatte sich der Schockmoment des bis dato Drittplatzierten bei der wohl härtesten Regatta der Welt am frühen Montagnachmittag. Wie es genau bei Le Cam und Escoffier weitergeht, ist noch nicht bekannt. An Bord kann er wohl nicht ewig bleiben, die Nahrung ist nur für eine Person ausgelegt.

Hightech-Material an der Grenze

Der Zwischenfall zeigt einmal mehr, welchen Gefahren die mutigen Skipper ausgesetzt sein können. Es hat in der Geschichte der Vendee Globe schon Todesfälle gegeben. Auch bei der neunten Ausgabe in diesem Jahr gerät das Hightech-Material an seine Grenzen, wie vor Escoffiers Havarie bereits ein Mastbruch und ein gerissenes Großsegel bei weiteren Konkurrenten zeigten.

Auch Le Cam, der Retter, weiß schon länger, wie eng es bei dem Hochseerennen werden kann. Am 6. Januar 2009, während der Vendee Globe 2008/2009, war er derjenige, der aus dem Wasser gezogen musste. Sein Boot war nahe des Kap Hoorn gekentert. (sid, 1.12.2020)