Sollten Polen und Ungarn nicht einlenken, braucht die Union ab nächsten Monat ein Notbudget.

Foto: imago images/Steinach

Brüssel – Mitten in der zweiten Welle der Corona-Pandemie steuert die EU auf eine schwere interne Krise zu. Ungarn und Polen blockieren ja das 1,8 Billionen Euro schwere Finanzpaket bestehend aus dem EU-Haushaltsrahmen für die kommenden sieben Jahre und dem Corona-Hilfsfonds. Grund dafür sind die sind Pläne, EU-Gelder bei Verstößen gegen rechtsstaatliche Grundsätze zu kürzen. Ohne Einigung in den nächsten Tagen droht der EU ab Jänner ein Nothaushalt.

Die EU-Kommission hat am Dienstag angesichts dessen vor massiven Einschnitten bei europäischen Geldern im kommenden Jahr gewarnt. Wenn der EU-Budgetrahmen und der Corona-Hilfsfonds nicht verabschiedet würden, drohten gegenüber den bisherigen Planungen "bedeutende Kürzungen", sagte ein Sprecher am Dienstag in Brüssel. Zu Angaben der "Financial Times", wonach 2021 die Ausgaben um 25 bis 30 Milliarden Euro geringer ausfallen würden als geplant, wollte der Sprecher nicht kommentieren: "Die genauen Zahlen hängen von der Lage zu Beginn des kommenden Jahres ab."

Am Montag, 7. Dezember um Mitternacht, läuft die Frist für die Annahme des EU-Haushalts für 2021 ab, für den ein Volumen von knapp 165 Milliarden Euro vorgesehen ist. Ohne grünes Licht für den übergeordneten mehrjährigen Finanzrahmen vor diesem Termin kann die EU ab 1. Jänner nur noch mit einem Nothaushalt arbeiten. Die EU-Verträge sehen dann ein Budget im Umfang von jenem des Vorjahres vor, pro Monat steht ein Zwölftel des Jahresbetrags zur Verfügung.

Vorentscheidung am Mittwoch

Ob es zu einem solchen Nothaushalt kommt, könnte schon am Mittwoch feststehen. Da entscheiden die EU-Botschafter, ob weitere Verhandlungen mit dem Europaparlament über den Haushalt 2021 noch sinnvoll sind. Bisher gibt es keine Anzeichen, dass Ungarn und Polen von ihrem Veto abrücken.

Geld stünde über den Nothaushalt zur Verfügung – eigentlich sogar mehr als im diskutierten neuen Haushaltsentwurf für 2021 vorgesehen, weil 2020 noch das ehemalige EU-Mitglied Großbritannien dabei war (Gesamtvolumen: 172,5 Mrd. Euro). Allerdings fehlen die Hilfen aus dem 750 Mrd. Euro schweren Corona-Hilfsfonds. Zudem läuft 2020 mit der aktuellen siebenjährigen Haushaltsperiode auch ein Großteil der Förderprogramme aus und damit die rechtliche Grundlage für die Ausschüttung der Budgetmittel.

Reserven vorhanden

Bereits zugesagte Gelder etwa für Erasmus-Studenten sowie zugewiesene, aber nicht verwendete Mittel könnten noch ausgezahlt werden. Nach Schätzungen von Experten haben viele Länder, darunter auch Ungarn und Polen, große Teile der ihnen zustehenden Mittel etwa aus den milliardenschweren Strukturfonds in der laufenden Haushaltsperiode noch nicht abgerufen. Einige Programme könnten so eventuell noch Monate oder sogar Jahre weiterlaufen. Insgesamt würden die Zahlungen aber nach und nach abnehmen.

Sonderregelungen im Fall eines Nothaushaltes gibt es bisher für humanitäre Hilfe, die Verwaltungskosten der EU sowie für die Agrarhilfen, für die aus anderen Gründen bereits eine Verlängerung um zwei Jahre beschlossen worden war. Derartige Beschlüsse sind auch in anderen Bereichen denkbar. Neue Programme könnten nur mit erheblichem Aufwand und entsprechender Verzögerung aufgelegt werden.

Noch nie da gewesen

Diese Situation wäre einzigartig in der Geschichte der EU. Zwar ist es in Ermangelung einer Budgeteinigung bereits einige wenige Male zu Nothaushalten gekommen – zuletzt 1988. Allerdings gab es dies noch nie zum Ende einer mehrjährigen Haushaltsperiode mit den damit verbundenen Problemen aufgrund der auslaufenden Programme – noch dazu inmitten einer europaweiten Gesundheitskrise mit schweren wirtschaftlichen Verwerfungen.

Selbst eine rasche Einigung mit Polen und Ungarn nach dem 7. Dezember würde deutliche Verzögerungen bedeuten. Mit Verstreichen der Frist muss die EU-Kommission in jedem Fall einen neuen Vorschlag für den Jahreshaushalt 2021 unterbreiten, Parlament und Mitgliedstaaten müssen jeweils ihre Position neu festlegen und die gemeinsamen Verhandlungen erneut aufnehmen. (APA; 1.12.2020)