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Das Rad auf dem Arbeitsweg soll Standard werden. Auch Unternehmen sollen sich verstärkt dafür einsetzen.

Foto: Getty Images / Nicky Lloyd

Viele Menschen liebäugeln damit, mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Arbeit zu kommen, doch diesen Umstieg schaffen nur wenige. Die Verhaltensökonomie zeigt, wie schwer es ist, mit Routinen zu brechen.

Eine Veränderung der Umstände kann helfen: der neue Job, die neue Wohnung oder die Rückkehr zum Arbeitsplatz nach Monaten im Homeoffice. Für die Mobilität könnte die Corona-Krise auch zur Chance werden.

Aus gesellschaftlicher Perspektive ist das Fahrrad eine Art Wundermittel: Es hat die Macht, Verkehrssysteme zu entlasten und die gesundheitlichen Defizite einer "sitzenden" Arbeiterschaft auszugleichen. In der Pandemie reduziert es die Ansteckungsgefahr bei gleichzeitiger Stärkung der Immunabwehr.

Weniger Krankenstandstage

Doch für eine Forcierung des Rad- und Fußgängerverkehrs ist nicht nur die öffentliche Hand gefragt. Auch Unternehmen müssen die Vorteile erkennen: Körperliche Fitness bedeutet auch mehr Wohlbefinden, eine positivere Lebenseinstellung und letztlich eine höhere Leistungsfähigkeit und weniger Krankenstandstage.

Maßnahmen wie überdachte Fahrradständer oder Mitarbeiterduschen sind eine Grundvoraussetzung. Wie sich der Umstieg auf das Fahrrad und das Zu-Fuß-Gehen auf dem Arbeitsweg organisatorisch und ohne nennenswerten Zeitverlust einrichten lässt, haben Forscher der Paris-Lodron-Universität Salzburg unter anderem mit Kollegen des Universitätsspitals Zürich und der Research Studios Austria Forschungsgesellschaft untersucht.

Betriebswirtschaftlicher Effekt

"Der Umstieg auf Rad oder Fußweg reduziert CO2-Emissionen und ist damit volkswirtschaftlich interessant. Doch die Gesundheitseffekte haben auch einen unmittelbaren betriebswirtschaftlichen Effekt", betont Projektleiter Martin Loidl vom Fachbereich Geoinformatik der Uni Salzburg. "Arbeitgeber haben hier einen mächtigen Hebel in der Hand."

Die Forscher teilten in einer randomisierten klinischen Studie 73 Mitarbeiter eines Krankenhauses, die davor mit dem Auto zur Arbeit fuhren, in drei Gruppen. Eine Gruppe erhielt Anreize – Gutscheine für Fahrradhandel oder für wetterfeste Kleidung –, um aufs Fahrrad umzusteigen. Die zweite Gruppe wurde etwa mit Tickets zu Öffi-Nutzung inklusive Fußmarsch motiviert. Das letzte Drittel fuhr als Kontrollgruppe weiterhin mit dem Auto.

Die neuen Arbeitswege der beiden Interventionsgruppen wurden so gestaltet, dass zumindest "zehn Minuten aktive Mobilität in der Wegekette" vorhanden sind, erläutert Loidl. Kürzere Arbeitswege wurden etwa ganz per Rad zurückgelegt, längere vielleicht in Busfahrt und Fußmarsch aufgeteilt. Die Probanden sollten ihre Mobilität für ein Jahr umstellen. Das Monitoring erfolgte mit gesundheitlichen Leistungschecks, durch das Führen von Mobilitätstagebüchern und das zeitweilige Tragen von Fitnessarmbändern.

Überraschend für das Forscherteam war, wie loyal die Probanden gegenüber den Umstellungen waren, betont Loidl. "In der Kontrollgruppe wurden knapp 74 Prozent der Jahreskilometerleistung mit dem Auto zurückgelegt", beschreibt er das Ausgangsniveau. "Dieser Anteil sinkt auf etwa zehn Prozent in den beiden Interventionsgruppen. Selbst die Winterwerte liegen bei 13 Prozent."

Signifikante Verbesserungen

Gesundheitlich brachte die Umstellung signifikante Verbesserungen bei Fitness, Vitalität und Wohlbefinden. Die Körperzusammensetzung der Probanden habe sich signifikant verändert – mehr Muskeln, weniger Fett. Eine Reduktion des Körpergewichts als Folge war aber nicht eindeutig nachweisbar.

"Man muss dazu sagen, dass die Probanden schon zu Beginn relativ gesund waren", sagt Loidl. "Wäre das nicht der Fall gewesen, wäre der Effekt noch deutlicher gewesen." Klar belegt wurde auch ein Zusammenhang aus Dosis und Effekt – wenig überraschend stieg die gesundheitliche Wirkung mit dem Ausmaß der Bewegung. Die Forschenden überlegen nun, ob derartige Mobilitätsumstellungen auch als Teil von Therapien verschrieben werden könnten.

Die Studie, die im Journal Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports erschien, gibt die Basis für eine weitere Entwicklung: einen "Pendlerrechner", der Routenvorschläge generiert, die ein Mindestmaß an körperlicher Bewegung garantieren, aber auch zeiteffizient sind.

Zielgruppe sind große Unternehmen. "Neue Mitarbeiter könnten neben einem Gutschein fürs Radgeschäft auch gleich plausible Vorschläge für ihren Arbeitsweg bekommen", sagt Loidl. "Das würde viel besser wirken als pauschale Aufrufe." (Alois Pumhösel, 11.12.2020)