Aglaja Kopf und ihre Kollegen haben eine dem menschlichen Organismus sehr ähnliche 3D-Umgebung gestaltet, um zu erforschen, wie sich die Immunzellen im Körper zurechtfinden.

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Über unser körpereigenes Heer aus Immunzellen, das laufend gefährliche Eindringlinge wie Viren, Bakterien und andere Feinde unserer Gesundheit abwehrt, ist bereits einiges bekannt. Wie es aber die einzelnen Soldaten dieser schnellen Eingreiftruppe schaffen, sich zielsicher und mit enormer Geschwindigkeit durch das Labyrinth aus Zellen und anderen Hindernissen bis zur jeweiligen Gefahrenzone durchzukämpfen, wusste man lange nicht.

"Über die Fortbewegungsmechanismen der Leukozyten im menschlichen Körper hat man nicht viel herausgefunden, weil man ihr Verhalten bislang nur in der Petrischale beobachtet hat", erklärt die Molekularbiologin Aglaja Kopf. "Tatsächlich bewegen sich die Immunzellen aber in einer sehr komplexen Umwelt, die so nicht wirklich abgebildet werden kann."

3D-Umgebung

Die Forscherin und ihre Kollegen am IST Austria haben für diese Untersuchungen deshalb eine dem menschlichen Organismus sehr ähnliche 3D-Umgebung gestaltet. Erst auf dieser Basis konnte man die Mechanismen entschlüsseln, mit deren Hilfe die weißen Blutkörperchen ihren Weg durch das Gewebe finden.

Sogenannte Mikrotubuli – Proteinkomplexe, die innerhalb der Immunzelle für den Transport von Molekülen und Informationen zuständig sind – spielen dabei eine zentrale Rolle.

Kleine "Ärmchen"

Worin genau deren Aufgabe besteht, hat Aglaja Kopf in ihrer Dissertation untersucht. Wichtige Grundlagenforschung, für die sie kürzlich mit dem PhD Award der Österreichischen Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie (ÖGMBT) ausgezeichnet wurde. "Um ihren Weg zu finden, bilden die Immunzellen kleine ‚Ärmchen‘ zum Erkunden der Umgebung aus", versucht die Molekularbiologin die zellulären Vorgänge zu erklären.

Die Mikrotubuli sorgen dafür, dass die auf Hindernisse treffenden Ärmchen eingezogen werden, sodass sich die Leukozyten nicht verfangen und auf einer freien Bahn weiterbewegen können. "Wir konnten zeigen, dass in jenen Ärmchen, die sich zurückziehen sollen, die Mikrotubuli verschwinden", erklärt Aglaja Kopf. "Wenn in einer Zelle jedoch überhaupt keine Mikrotubuli sind, strecken sich ihre Ärmchen völlig unkoordiniert aus, bis die Zelle zerreißt."

Wenig Wissen

Die Begeisterung der 34-jährigen Wienerin für die Immunologie wurde entfacht, während sie nach dem Studium der Molekularen Biologie als Technikerin in einer T-Zellen-Forschungsgruppe an der Med-Uni mitgearbeitet hat. "Dort wurde mir klar, dass man über viele Prozesse in Immunzellen erst sehr wenig weiß", erinnert sich Aglaja Kopf.

Der Reiz, dieses noch relativ unbekannte Terrain selber ein Stück weit zu erkunden, hat sie vor sechs Jahren zur Leukozyten-Forschungsgruppe am IST geführt. Seit Oktober geht ihre beruflich-wissenschaftliche Reise am Zentrum für Molekulare Medizin (CeMM) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) weiter, wo sie nach Babypause und Lockdown eine Postdoc-Stelle angetreten hat.

Das Preisgeld für ihre ausgezeichnete Arbeit fließt in die von ihr mitgegründete Initiative "STEM fatale" zur Frauenförderung in den Mint-Fächern. Wie nötig die ist, weiß die Mutter einer einjährigen Tochter nur zu gut. (Doris Griesser, 8.12.2020)