Der Deutsche Klaus Regling ist seit 2012 Chef des Eurorettungsfonds ESM. Er soll in Zukunft auch bei der Bankenabwicklung mitmischen.

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Gut Ding braucht Weile. Aber umso größer ist dann wohl die Freude, wenn ein Projekt zur präventiven Stärkung der Eurozone und zur Stabilisierung des Bankensektors zum Abschluss kommt. Das galt zumindest für den deutschen Finanzminister Olaf Scholz, der sich am Rande der Treffen der Eurogruppe und der EU-Finanzminister per Videokonferenz zur Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Montag und Dienstag zufrieden äußerte.

Diese lag bereits seit 2018 auf dem Tisch. Montagabend gab Italien bisherige Einwände auf. Der ESM, der im Zuge der großen Finanz- und Wirtschaftskrise 2012 als reiner "Rettungsfonds" für pleitebedrohte Staaten wie Griechenland, Irland oder Portugal geschaffen wurde, soll nun flexibler handeln und präventiv mit Milliardenhilfen bei notleidenden Staaten und Banken eingreifen können.

Deutschland setzte sich durch

Laut Scholz sei das angesichts der Corona-Krise "ein wirklich gutes Zeichen in stürmischer See" und dafür, dass man die "Stabilitätskultur" fortsetze. Deutschland kann einen weiteren konkreten Erfolg seines aktuellen EU-Ratsvorsitzes verbuchen.

Wie wird der ESM ausgebaut? Der Fonds unter der Leitung des Deutschen Klaus Regling verfügt über eine "Feuerkraft" von 800 Milliarden Euro. 80 Mrd. haben die 19 Eurostaaten cash als Kapital eingezahlt, für den Rest garantieren sie. Der größte Anteil der Eurohilfen, die an notleidende Staaten als sehr zinsgünstige Kredite ausbezahlt werden, wird auf dem Kapitalmarkt aufgebracht. Sie waren bisher immer an strikte Strukturreformauflagen gebunden. Der ESM finanzierte die von den Euroministern mit der Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) konzipierten Hilfsprogramme. Das Geld wurde vom ESM je nach Bedarf aufgenommen. Mit der Reform soll der Fonds nun mehr Spielraum bekommen, indem er im Krisenfall "vorsorglich" leichter Kreditlinien eröffnen kann, auch wenn die Staaten noch nicht in eine Notlage geraten sind.

Start erst 2024

Zweites wichtiges Element der Reform ist der sogenannte Backstop bei der Abwicklung von Banken. Der ESM tritt in Zukunft als "Letztsicherung" für den Bankenabwicklungsfonds (SRF) ein, den es seit dem Jahr 2014 gibt. Dieser Fonds ist im Aufbau und sollte – anders als der ESM – nicht von den Regierungen, also dem Steuerzahler, sondern von den Banken selbst gespeist werden. Zielgröße ist 55 Milliarden Euro. Sollte es im Zuge einer Krise zu Bankenpleiten kommen, die die Kapazität des Bankenabwicklungsfonds übersteigen, würde der ESM Geld leihen können.

Das war jahrelang umstritten. Deutschland drängte darauf, dass Europas Banken "faule Kredite" abbauen und es eine Gläubigerbeteiligung geben muss. Der Bankenbackstop soll nun im Jahr 2024 starten. (Thomas Mayer, 1.12.2020)