Jen Psaki wird Sprecherin des künftigen US-Präsidenten Joe Biden.

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Gut möglich, dass Jen Psaki ihren Job als Joe Bidens künftiges Sprachrohr auch dann bekommen hätte, wenn sie ein Mann wäre. So stolz der President-elect am Wochenende sein exklusiv mit Frauen besetztes Kommunikationsteam auch zur Schau stellte – an Psaki wäre er wohl auch ohne diesen PR-Coup nicht vorbeigekommen. Schließlich verkörpert die Enkelin irisch-griechischer Einwanderer, die am Dienstag ihren 42. Geburtstag feierte, wie kaum jemand anderer in Washington das zentrale Versprechen Bidens: endlich wieder Normalität – und zwar sofort.

Ruhe und Berechenbarkeit

Acht Jahre lang diente Psaki unter Barack Obama und dessen Vize Biden an vorderster Front der politischen Kommunikation: Erst war die studierte Anglistin aus dem Neuengland-Staat Connecticut stellvertretende Pressesprecherin des Weißen Hauses, dann war sie Sprachrohr von Außenminister John Kerry, zuletzt arbeitete sie als Obamas Kommunikationsdirektorin – und galt unter Reportern stets als integer und kooperativ.

Dann kam Donald Trump. Der ließ zwar ebenfalls gern Frauen für sich sprechen, erledigte die Pressearbeit aber am liebsten gleich selbst per Twitter. Mit Psaki, die so wie die meisten ihrer neuen Kolleginnen zwei kleine Kinder hat, soll das Weiße Haus unter Biden wieder Ruhe und Berechenbarkeit in das verwundete Land ausstrahlen.

Einsatzbereit ab Tag eins

Kritiker monieren, dass sich Biden zu sehr auf die altgediente Nomenklatura der Obama-Jahre verlasse – und die Jüngeren bei der Postenvergabe leer ausgehen. Doch jetzt, wo Pandemie und Wirtschaftskrise Amerika im Griff haben, dürfte das Mantra "Ready on Day one" für Biden mehr zählen als innerparteiliche Befindlichkeiten. Fest steht, dass sich Psaki, die seit zehn Jahren mit einem Finanzmanager der Demokraten verheiratet ist, nicht lange wird einarbeiten müssen. Schon in ein paar Monaten, wenn Corona besiegt ist, könnte sie die Bühne wieder verlassen und bis dahin einer Nachfolgerin das Feld bereiten, heißt es hinter den Kulissen.

Dass Psaki, als Studentin am College of William & Mary in Virginia eine ehrgeizige Wettkampfschwimmerin, noch dazu als ausgewiesene Kennerin der US-Außen- und Sicherheitspolitik gilt, dürfte ihr im Auswahlverfahren auch nicht geschadet haben. Denn ob es Biden gelingt, Amerikas Wunden zu heilen und das Vertrauen der Alliierten wieder zurückzugewinnen, wird auch von der Frau abhängen, die in seinem Namen spricht. (Florian Niederndorfer, 1.12.2020)