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US-Justizminister William Barr und Präsident Trump.

Foto: AP / BRENDAN SMIALOWSKI

Washington – Das US-Justizministerium untersucht kurz vor Ende der Amtszeit des Präsidenten Donald Trump den Verdacht, dass präsidiale Begnadigungen aufgrund von Bestechung erfolgt sein könnten. Die Bundesanwälte in Washington sagten am Dienstag, sie hätten Beweise für ein Bestechungsschema erhalten, bei dem jemand "einen erheblichen Beitrag im Austausch für eine Begnadigung oder Strafaufschub durch den Präsidenten leisten würde". Wer an der möglichen Straftat beteiligt sein könnte, geht aus dem 18-seitigen Dokument nicht hervor, das das Bundesgericht veröffentlichte. Etwa die Hälfte des Dokuments ist geschwärzt.

Anklage wurde in dem Fall bisher nicht erhoben. Der US-Präsident hat nach der Verfassung beinahe unbegrenzte Befugnisse, Begnadigungen auf Bundesebene zu erlassen.

In dem nun in Teilen veröffentlichten Dokument von Ende August verfügt Bundesrichterin Beryl A. Howell unter anderem, dass mehr als 50 beschlagnahmte digitale Speichermedien nicht unter die geschützte Kommunikation eines Anwalts mit dessen Mandanten fallen. Die Ermittler dürfen diese Speichermedien – darunter Smartphones, Laptops und USB-Sticks – demnach auswerten und die Beschuldigten mit den Ergebnissen konfrontieren.

Möglicherweise noch weitere Begnadigungen

Trump hatte in der vergangenen Woche seinen ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn begnadigt und sich damit dem Vorwurf des Machtmissbrauchs ausgesetzt. Der pensionierte General Flynn war in die Affäre um russische Einflussnahme auf die US-Präsidentenwahl von 2016 verstrickt. Trump könnte vor dem Ende seiner Amtszeit noch weitere Personen begnadigen. Von diesem Recht haben auch frühere Präsidenten wie der Demokrat Barack Obama bis zum letzten Tag im Amt Gebrauch gemacht.

Trump ist noch bis 20. Jänner mit allen Rechten Präsident – und es gibt unter seinen Verbündeten noch einige Verurteilte, die auf sein Einschreiten hoffen dürften. Dazu gehören seine Berater aus dem Wahlkampf 2016, Rick Gates und George Papadopoulos, die wie Flynn in Zusammenhang mit Russland-Ermittlungen verurteilt worden waren. In Washington wird zudem spekuliert, dass Trump auch versuchen könnte, sich selbst für mögliche Gesetzesverstöße auf Bundesebene zu begnadigen.

Neuer Sonderermittler für Russland-Ermittlungen

In Bezug auf die früheren Ermittlungen zur Russland-Affäre hat US-Justizminister William Barr indessen Bundesanwalt John Durham, der die bereits laufende Untersuchung schon jetzt leitet, zum neuen Sonderermittler ernannt. Barr dürfte damit das Ziel verfolgen, dass die umstrittene Untersuchung auch weitergeht, wenn Joe Biden am 20. Jänner die Nachfolge Trumps antritt. Es ist sehr schwierig und politisch äußerst heikel, einen einmal ernannten Sonderermittler abzusetzen.

Die Bundespolizei FBI hatte vor der Präsidentschaftswahl 2016 Ermittlungen zu Kontakten zwischen Trumps Wahlkampfteam zu Russland eingeleitet. Nach der Entlassung von FBI-Chef James Comey durch Trump im Mai 2017 wurde die Untersuchung von dem Sonderermittler Robert Mueller fortgeführt. Dieser fand in seiner fast zweijährigen Untersuchung keine hinreichenden Belege für illegale Absprachen zwischen dem Trump-Team und Moskau. Vom Vorwurf der Justizbehinderung entlastete Mueller den Präsidenten aber explizit nicht.

Bisher keine Beweise für Wahlbetrug

Was Trumps anhaltende Behauptungen angeht, die Wahl sei wegen Betrugs im großen Stil ungültig, sagt Barr zuletzt, dass es dafür bisher keine Beweise gebe. "Bis heute haben wir keinen Betrug in einem Ausmaß gesehen, der zu einem anderen Wahlergebnis hätte führen können", sagte Barr am Dienstag. Barrs Äußerungen sorgten für Aufsehen, zeigt er sich doch normalerweise hochgradig loyal gegenüber Trump. Nun widersprach er ihm direkt.

Trump hat seine Niederlage noch immer nicht eingeräumt und behauptet weiterhin, Biden habe die Wahl nur wegen massiven Betrugs gewonnen. Belastbare Beweise hat er nicht vorgelegt. Er versucht mit einer Klagewelle, das Wahlergebnis anzufechten. US-Gerichte haben aber bereits zahlreiche Klagen abgewiesen.

Wahlbeamter appelliert an Trump

Angesichts der anhaltenden Anzweiflung des Wahlergebnisses und Gewaltandrohungen gegen mit der Wahl befasste Personen richtete ein leitender Mitarbeiter der Wahlbehörde in Georgia einen eindringlichen Appell an Trump. "Zeigen Sie Größe, hören Sie auf. Schreiten Sie ein, sagen Sie Ihren Unterstützern: Seid nicht gewalttätig. Hört auf zu drohen. All das ist falsch, es ist nicht amerikanisch", sagte Gabriel Sterling am Dienstag.

Gabriel verbarg seine Wut nicht und sagte an Trump gerichtet: "Sie haben das Recht, vor Gericht zu ziehen. Wozu Sie nicht in der Lage sind, (...) ist, damit aufzuhören, Menschen dazu zu bringen, mögliche Gewalttaten zu begehen." Sterling warnte: "Jemand wird verletzt werden. Jemand wird angeschossen werden. Jemand wird getötet werden." Seit Trumps knapper Niederlage machen der Präsident und seine Vertrauten öffentlich Stimmung gegen Verantwortliche für die Wahl in Georgia. Staatssekretär Brad Raffensperger – der oberste Wahlaufseher – hat nach eigenen Angaben Morddrohungen erhalten.

Erneuter Antritt 2024

Nach Ansicht seine ehemaligen ehemaligen Wahlkampfmanagers hätte Trump die Wahl mit einem "Erdrutschsieg" gewinnen können, hätte er in der Corona-Pandemie Einfühlungsvermögen gezeigt. "Ich denke, die Menschen hatten Angst", sagte Brad Parscale dem Sender Fox News. Es sei ein Fehler gewesen, auf die Wiedereröffnung der Wirtschaft zu dringen, während die Menschen Angst gehabt hätten. Parscale äußerte die Vermutung, dass viele potenzielle Wähler einen einfühlsamen Präsidenten erleben wollten, was er Trump auch gesagt habe. "Er wählte einen anderen Weg."

Einem Bericht des Nachrichtenportals "Politico" zufolge soll Trump am Dienstag vor Mitgliedern der Republikanischen Partei bei einer Weihnachtsfeier im Weißen Haus angedeutet haben, dass er 2024 erneut für die Präsidentschaft kandidieren wolle. Dem Bericht zufolge sagte er: "Es waren unglaubliche vier Jahre. Wir versuchen, weitere vier Jahre zu schaffen. Wenn nicht, sehen wir uns in vier Jahren wieder." Spekulationen über eine Kandidatur 2024 wollte Trump bislang nicht öffentlich kommentieren. (APA, red, 2.12.2020)