Alles gut?

Foto: EPA/SCOTT HOWES

Ist den Menschen in Österreich während der Zeit des Lockdowns die gute Stimmung abhandengekommen? (Und waren sie zunächst überhaupt guter Stimmung, die abhandenkommen konnte?) Wenn man von Ihnen, unseren p.t. Usern, ausgeht, war das grundlegend nicht der Fall.

Eine Woche nachdem der gemäßigte Lockdown am 3. November in Kraft getreten war, zeichnete sich wegen weiterhin stark steigender Covid-19-Zahlen eine Verschärfung der Maßnahmen ab. Um für die zum aktuellen Wochenende erscheinende STANDARD-Schwerpunktausgabe mit dem Leitmotiv "Hoffnung" die Moral im restriktiven Lockdown einzufangen, wollten wir also ab 11. November wissen: "Wenn Sie an den letzten Tag denken, haben Sie ein positives oder negatives Gefühl?" Als Abstimmungsmöglichkeiten haben wir "gut", "eher gut", "eher schlecht" und "schlecht" zugelassen.

Drei Wochen lang wurde die Umfrage in vielen Artikeln eingeblendet, und dort, wo sie nicht eingeblendet wurde, vermisste man sie bisweilen.

Knapp 268.000-mal haben die User abgestimmt, also rund 13.000-mal pro Tag. Es gab an keinem Tag einen negativen Überhang, die Summe aus "Gut"- und "Eher gut"-Antworten überstieg stets deutlich die Hälfte und betrug im Durchschnitt 64,4 Prozent.

Der Tag, an dem die Teilnehmer ihre summiert schlechteste Stimmung übermittelten, war der 14. November mit 39,9 Prozent "Schlecht"- und "Eher schlecht"-Nennungen. Es war der Tag, an dem die Bundesregierung die Detailregelungen für den harten Lockdown bekanntgab.

In der Folge lockerte sich die Gemütslage und erreichte am 22. November mit Positivwerten von 71,6 Prozent ihren Höhepunkt. Es handelte sich um einen Sonntag mit strahlendem Sonnenschein und ohne nennenswerte Häufung schlechter Nachrichten. (Dominic Thiem verlor zwar das Endspiel der ATP-Finals, aber dieses Match endete erst gegen 22 Uhr und dürfte somit kaum in das Ergebnis eingeflossen sein.)

An den Werktagen danach mischte sich wieder etwas schlechtere Stimmung in das Ergebnis – nur aber, um am letzten Wochenende vor der Ankündigung des Lockdown-Endes wieder freundlicher zu werden.

Insgesamt entfielen 38 Prozent der Klicks auf den "Gut"-Button, 26,4 Prozent auf "eher gut", 19,6 Prozent auf "eher schlecht" und 16 Prozent auf "schlecht". Der Saldo, der sich ergibt, wenn man positive und negative Antworten gegenüberstellt, bewegte sich immer zwischen 19,8 und 43,3 Prozentpunkten zugunsten der positiven Nennungen – und die Entwicklung, die dieser Saldo beschreibt, deckt sich frappant mit den Erkenntnissen von Wissenschaftern der TU Graz und des Wiener Forschungsnetzwerks Complexity Science Hub (CSH).

David Garcia und Max Pellert lassen bereits seit einiger Zeit verschiedene Algorithmen durch öffentliche Social-Media-Kanäle laufen, unter anderem auf Twitter und in unseren Corona-Liveberichten. Sie analysieren die Texte von Userpostings, um mit einem System künstlicher Intelligenz herauszufinden, welche positiven oder negativen Gefühle die Menschen in ihren Beiträgen bewusst oder unbewusst äußern.

Das Resultat dieser sogenannten Sentiment-Analyse für mehr als 450.000 Postings in unseren Liveberichten stimmt dermaßen eng mit den Ergebnissen der Stimmungsumfrage überein, dass Garcia die Korrelation als "amazing" bezeichnet. (Michael Matzenberger, 5.12.2020)