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Benjamin Netanjahu sieht einer wahrscheinlichen Neuwahl entgegen.

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Jerusalem – Israels Regierung schaut wieder einmal einer Neuwahl entgegen. Das Parlaments stimmte am Mittwoch dafür. Die Koalition zwischen dem rechtskonservativen Likud von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dem Mitte-Bündnis Blau-Weiß von Verteidigungsminister Benny Gantz bestand erst seit Mai. Am Mittwoch stand ein Vorschlag der Opposition zur Auflösung des Parlaments zur Abstimmung. Blau-Weiß unterstützte den Vorstoß, Gantz hatte das am Dienstagabend schon angekündigt.

Ein Scheitern der Koalition bedeutet die vierte Parlamentswahl innerhalb von zwei Jahren in Israel. In der Zusammenarbeit der früheren erbitterten Rivalen hatte es von Beginn an stark gehakt, zuletzt verschärften sich die Spannungen erneut. Seit Monaten schwelt ein Streit um die Verabschiedung eines Haushalts.

Verhandlungen über neue Regierung

Es handelte sich am Mittwoch allerdings um eine vorläufige Abstimmung, für die endgültige Auflösung der Knesset wären drei weitere Lesungen notwendig. Netanjahu sagte schon im Vorfeld, seine Likud-Partei werde gegen die Auflösung des Parlaments stimmen und sprach sich für nationale Einheit in der Corona-Krise aus. Laut Medien erwägt er zwar eine Neuwahl, aber zu einem späteren Zeitpunkt.

Wissenschaftsminister Yizhar Shai von Blau-Weiß sagte dem israelischen Armeesender am Mittwoch, es gebe Bemühungen zur Bildung einer alternativen Regierung – offenbar mit anderen Parteien als dem Likud. "Eine Neuwahl ist nicht notwendig, wenn man diese Regierung mit einer anderen ablösen kann", sagte er. Nach drei Parlamentswahlen hatten sich die erbitterten Rivalen Benjamin Netanjahu und Gantz auf die Bildung einer großen Koalition verständigt, bei der es auch eine Ämterteilung geben sollte. Gantz sollte zur Hälfte der noch bis 2023 gehenden Mandatsperiode das Amt des Ministerpräsidenten von Netanjahu übernehmen.

Ermittlungen als Grund für den Krach

Vizepremier und Verteidigungsminister, der Chef von Blau-Weiß, hatte am Sonntag erklärt, er werde nun die sogenannte U-Boot-Affäre untersuchen lassen, in der Netanjahu die Fäden zog. Netanjahu schäumte darüber. Es sei eine "Schande", wie Gantz die Armee für politische Zwecke missbrauche.

Der hatte 2016 mit Deutschland eine Lieferung von U-Booten des Thyssen-Krupp-Konzerns hingedeichselt. Der Verdacht auf Bestechung und Geldwäsche steht im Raum. Gegen mehrere Personen aus dem Umfeld Netanjahus wurde deshalb Anklage erhoben, nicht aber gegen den Premier. Seine Rolle in der Causa sei zwar dubios, erklärten die Staatsanwälte, aber nicht anklagereif.

Umfragen sehen Netanjahu weiter an erster Stelle, knapp gefolgt von der Rechts-außen-Partei Yamina. (sterk, red, Reuters, 2.12.2020)