Immer im Dienste der Menschheit: der Skyway Man mit irdischem Freund und als VW-Bus getarntem Raumgleiter.

Foto: Skyway Man

Der Weltraum als Weltflucht nahm in der Popmusik immer schon eine prominente Rolle ein. Spätestens mit dem Aufkommen der Raumfahrt entstanden damals Schlager, die frohgemut in eine Zukunft jenseits unseres Planeten verwiesen, Vermisstenanzeigen wie etwa Louis Primas Beep Beep inklusive: "My baby’s going on a trip to the moon / And she won’t be back too soon / She doesn’t write me and I can’t sleep / All I hear from her is beep beep beep."

Der Jazzmusiker Sun Ra flog dann auf seiner afrofuturistischen Arche namens Arkestra gleich weiter hinaus: "Space is the place!" Spätestens mit dem Vietnamkriegstrauma und den Folgen des Kalten Krieges am Rande einer atomaren Apokalypse wandelte sich allerdings das Genre der Sternenfahrerei zu einer Reise ins Innere. Wie Science-Fiction-Autor Frank Herbert in seiner Dune-Saga schrieb: den Raum durchqueren, ohne sich zu bewegen. Als Antriebsstoff diente dabei eine Droge namens Spice.

Die Drogen halfen David Bowies Major Tom oder Elton Johns Rocket Man schließlich in die eisige Kälte von mit Kokain überzogenen Planeten. Psychedelische Drogen wie LSD sorgten für kunterbunte, von Freizeitchemie befeuerte Urlaubsabenteuer. Sie verkehrten sich oft auch in quälend lange Horrortrips. Im Weltraum hört dich niemand schreien.

Mama Bird Recording Co.

Mit der freundlichen Musik des auf unserem Planeten im kalifornischen Oakland beheimateten Skyway Man erhalten altbekannte Genrebestandteile nun eine gewisse Erdung. Er weilt auf der Erde unauffällig als James Wallace unter uns. Er bewegt sich mit einem alten VW-Bus statt einem Raumgleiter fort und liefert zum Broterwerb für einen Floristen Blumen aus. Ein schöner Beruf. Menschen, die mit Blumen zu tun haben, neigen meist dazu, nicht die Welt brennen sehen zu wollen.

Nach Anfängen in der Country- und Folk-lastigen Popmusik erscheint nun mit The World Only Ends When You Die ein Album des Jahres. Es scheint mit seinen mutigen, ja wagemutigen Songs wie gemacht für diese tristen Zeiten. James Wallace hat sich dafür vorgenommen, der Welt "Kosmologischen Country" und "Science Fiction Gospel Blues" zu schenken. Wir hören eine auf einem persönlichen Nahtoderlebnis basierende "cinematografische Psych-Folk-Opera". In der verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten. Unser Wanderer überquert immer wieder den als Rummelplatz angelegten Styx und lässt sich von manchmal eher unlauteren Aliens aus der Zukunft beraten, wie man hier mit der Pandemie und dem Ende des amerikanischen Traums zurechtkommt.

Ein schrulliger Humanist

Abgesehen von den lustigen Nahrungsergänzungsmitteln, die das Schaffen des Skyway Man offensichtlich beeinflussen, gilt festzustellen: Bei aller Schrulligkeit, die auf The World Only Ends When You Die dargeboten wird, liegt dem Ganzen ein tief empfundener Humanismus zugrunde. Man darf zu Wallace ruhig Blumenkind sagen.

Der Multiinstrumentalist singt dabei etwa nach dem nicht minder großartigen Vorgänger Seen Comin’ From a Mighty Eye sanftmütig mit nasaler John-Lennon-Stimme in einen alten Telefonhörer statt in ein Mikrofon. Gespielt wird auf geschundenen Instrumenten, deren Zustand kaum den Aufstieg in die Stratosphäre erlauben würde. Die Betriebsgeschwindigkeit ist auf "Fließend" gestellt. Neben hoppertatschigem Südstaatenrock, den in den 1970ern etwa der Elvis-Zulieferant Billy Swan produzierte (Don’t Be Cruel), stehen vor allem gemütlicher Keyboard-Rock-’n’-Roll und Gospel im Zentrum. Bei Old Swingin’ Bell, einer alten Kirchenhymne von Reverend Anderson Johnson, wimmert die Orgel, der schon ein paar Tasten fehlen, parallel zu einem Frauenchor im Zeichen der singenden Säge.

Mama Bird Recording Co.

Das anschließende Did Ya Know Him? ist ein Original. Es soll mit fröhlichem Schunkelrhythmus Licht in unser heutiges Dunkel bringen. Es verdankt sich laut Wallace einer "obsessiven Phase", in der er ausschließlich Musik der alten Landdisco-Könige Boney M. hörte. Es handelt sich also um ein sehr gutes und sehr schönes Lied.

Einer der Höhepunkte dieses wunderbar närrischen Albums: Night Walking, Alone. Immerhin wird hier das zerschundene "Sha la la la" würdig rehabilitiert. Für eine Textzeile wie "Turn on the radio and fade away" sollte man dem Mann überhaupt tausend Rosen streuen. Vielleicht liefert er sie ja mit seinem klapprigen VW-Bus selbst aus.

Skyway Man, The World Only Ends When You Die (Mama Bird Recording Co)

(Christian Schachinger, 3.12.2020)