Abschiedsbesuch von Jared Kushner (39, Mitte) bei verfeindeten Altersgenossen am Golf: beim saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (35, links) und beim katarischen Emir Tamim bin Hamad (40, rechts).

Foto: LUDOVIC MARIN; SAUL LOEB; FETHI BELAID

An Außenpolitikfeldern, die es sich noch zu beackern lohnt, scheint für die scheidende Regierung von US-Präsident Donald Trump nur der Nahe Osten übrig geblieben zu sein: Auf die mutmaßliche Abschiedstour von Außenminister Mike Pompeo nach Israel und an den Golf, die aber zumindest in Europa ihren Ausgang nahm, folgte diese Woche ein Besuch von Trumps Schwiegersohn und Nahost-Berater Jared Kushner in Saudi-Arabien und Katar.

Die Auswahl der Länder ließ auf einen letzten Versuch schließen, eine Krise, die beinahe die gesamte Trump-Amtszeit begleitet hat, zu beheben oder – Ersteres ist unwahrscheinlich – wenigstens zu lindern: den Riss, der durch den arabischen Golfkooperationsrat (GCC) geht.

Aus US-Sicht ist er ein fortgesetztes sicherheitspolitisches Ärgernis und Risiko in einer Zeit, in der eine Konfrontation mit dem Iran wahrscheinlicher wird. Die USA haben in Katar ihre größte Militärbasis in der Region. In Doha fanden auch die Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban beziehungsweise den Taliban und der afghanischen Regierung statt, die am Mittwoch einen Durchbruch erzielten.

Das "Quartett"

Katar wird von drei GCC-Staaten, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain, sowie Ägypten – zusammen das "Quartett" genannt – seit Juni 2017 zur Gänze boykottiert. Der Vorwurf lautet, kurz zusammengefasst: zu Iran-freundlich, zu Ankara-freundlich – die Türkei darf sogar eine kleine Militärbasis in Katar unterhalten – und, damit verbunden, zu große Nähe zu und die Förderung von Muslimbrüdern und islamistischen Terroristen.

Die restlichen GCC-Länder Oman und Kuwait verhalten sich weitgehend neutral. Oman profitiert wirtschaftlich, indem es Katar Ausweichinfrastruktur (Häfen) zur Verfügung stellt; Kuwait, dessen Außenminister soeben in Washington war, versucht zu vermitteln.

Dass Kushner die VAE – immerhin Vorreiter beim Herzensprojekt Kushners, der arabischen Normalisierung mit Israel – links liegen lässt, zeigt, dass die USA dort nicht mit einem Durchbruch rechnen: In der Tat ist die Linie der VAE Katar gegenüber besonders hart. Der Botschafter Abu Dhabis in Washington, Yousef Al-Otaiba, sagte Mitte November, dass eine Versöhnung mit Doha nicht auf der Prioritätenliste stehe. Aus Saudi-Arabien klingt das etwas anders. Außenminister Prinz Faisal bin Farhad drückte im Oktober die Hoffnung aus, dass ein Weg gefunden werden könne, den Zwist mit Katar zu beenden.

Einen Kanal graben

Als der seit Jahren latent laufende Konflikt im Frühsommer 2017 eskalierte, legte das "Quartett" Doha einen 13-Punkte-Forderungskatalog vor, der zum Beispiel den Hinauswurf der Türken oder die Knebelung des Medienunternehmens Al Jazeera verlangte. Kurz standen sogar kriegerische Handlungen und die Trennung katarischen und saudischen Territoriums durch die Grabung eines Kanals im Raum.Mittlerweile ist die Dramatik etwas abgeflaut, und dreieinhalb Jahre später ist Katar keineswegs, wie die Absicht war, gebrochen, sondern hat die wirtschaftliche Herausforderung gut gemeistert. Zwar schien sich Trump kurzfristig einmal völlig auf die Seite des "Quartetts" zu stellen – aber das wurde ihm wohl, wie so vieles, von seinen Militärs als strategischer Unfug ausgeredet.

Zuletzt konnte Katar auch auf internationalem Podium einige Unterstützung gegen die Isolationspolitik seiner Nachbarn erringen. Die WTO gab im Juni Doha in einem Streit mit Saudi-Arabien über einen Sport-Satellitenkanal Recht, aber viel bedeutender war ein Erfolg einer Beschwerde Katars beim Internationalen Gerichtshof gegen die Blockierung des Luftraums der Boykott-Länder für katarische Flüge. Da geht es um eine katarische Forderung von fünf Milliarden US-Dollar. Genau da könnte es zumindest in Bezug auf den saudischen Luftraum Bewegung geben – den USA ist ein Dorn im Auge, dass Katar notwendigerweise jährlich Millionen Dollar für Überflugsrechte an den Iran bezahlt.

Genauso gibt es jedoch Spekulationen, dass Saudi-Arabien eigentlich lieber der nächsten US-Regierung von Joe Biden entgegenkommen würde, um die Beziehungen mit einer positiven Note zu beginnen.

Besucher in Neom

Kushner soll den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS) treffen, zu dem er eine enge persönliche Beziehung aufgebaut hat – in der Planstadt Neom, wo vor zehn Tagen ein Treffen von MbS mit Israels Premier Benjamin Netanjahu stattgefunden haben soll, das die Saudis, anders als die Israelis, dementierten. Mit Kushner reisen die Nahost-Berater Avi Berkowitz und Brian Hook sowie der Chef der von Trump gegründeten US International Development Finance Corporation, Adam Boehler. Sie sind eher nicht mit dem Katar-Dossier, sondern mit der arabisch-israelischen Normalisierung befasst.

Das Netanjahu-MbS-Treffen hatte offenbar keinen Fortschritt gebracht, was Trumps Wunsch anbelangt, dass vor seinem Abgang auch noch Saudi-Arabien seine Normalisierung mit Israel verkünden solle. Laut (dem Katar-freundlichen) Middle East Eye soll Netanjahu auch die Möglichkeit eines Militärschlags gegen den Iran angesprochen haben und dabei auf Ablehnung gestoßen sein. Offenbar scheut Riad eine Eskalation, die zu vermehrten Angriffen der vom Iran unterstützten schiitischen Huthi-Rebellen auf saudische Ölanlagen führen könnte. (Gudrun Harrer, 3.12.2020)