Einkaufen gehen bei geschlossenen Gaststätten, das nimmt der Sache den Reiz. Händler befürchten eine verminderte Frequenz und Umsatzrückgänge.

Foto: imago

Nach über zwei Wochen Lockdown wird der Handel am Montag unter strengen Auflagen wieder aufsperren. Händler müssen die Rechnung im Dezember allerdings ohne die Wirte und Hoteliers machen, und das legt vor allem in Westösterreich die Nerven blank. "Ein gesamtes Ökosystem gerät ins Wanken", warnt Intersport-Chef Thorsten Schmitz. Viele Sportfachhändler in Wintersportgebieten erzielten 90 Prozent des Umsatzes mit Touristen aus dem Ausland. "Bei aller Heimatliebe, das wettzumachen werden die Österreicher nicht stemmen." Die Situation für seine Branche sei teils dramatisch. Betriebe erlebten trotz offener Geschäfte im Dezember quasi einen neuen Lockdown. Förderungen gebe es für sie dabei keine mehr. Nachzieheffekte seien für Bereiche wie den Skiverleih irrelevant.

Unverständnis für das weitere Schließen der Tagesgastronomie zeigen auch Schuhhändler wie CCC-Geschäftsführer Gerald Zimmermann. Er rechnet in der Folge im Dezember mit einer um 30 bis 50 Prozent geringeren Kundenfrequenz. Nicht zuletzt deswegen, weil Konsumenten vorab wohl kräftig online eingekauft hätten. Dass seine Branche ab Montag mit hohen Rabatten werben wird, hält er für legitim. "Die Unternehmen brauchen Liquidität."

Intersport-Chef Thorsten Schmitz: "Trotz offener Geschäfte werden viele Sporthändler einen neuen Lockdown erleben."
Foto: apa

Zimmermann beantragte frühzeitig Umsatzersatz, doch bisher sei kein Geld geflossen. Die staatlichen Hilfen unterstützten kleine Händler. Die Probleme der Großen lösten sie aufgrund der Deckelung von 800.000 Euro jedoch nicht.

15 Millionen Euro Umsatz habe er während des zweiten Lockdowns verloren, zieht Fussl-Chef Ernst Mayr Bilanz. Fünf Prozent davon bekomme er vom Staat ersetzt. Verschleudern will der Modehändler seine Ware im Dezember dennoch nicht. "Sie ist genauso gut wie vor drei Wochen. Und wir können jeden Cent Ertrag brauchen."

Keine Angst vor zu viel Kunden

Sorgen darüber, die Zahl der Kunden in den Filialen nicht drosseln zu können, macht sich Fussl ebenso wenig wie der Möbelriese Lutz, der schon einmal wegen eines Kundenansturms in die Kritik geraten war. Eine halbe Stunde vor neun Uhr will dieser die Drehtüren nun öffnen, um Schlangen davor zu vermeiden, erläutert Konzernsprecher Thomas Saliger. An neuralgischen Stellen draußen wie drinnen werde Security-Personal positioniert. Von hohen Rabatten auf Kleinartikel wie Christbaumkugeln, rund um die es enger werden könnte, sehe man ab. Restaurants halten auch in Einrichtungshäusern weiter geschlossen. "Das reduziert die Frequenz an Kunden nicht unwesentlich."

Um Kundenströme zu entzerren, wurde eine Verlängerung der Öffnungszeiten für 8., 12. und 19. Dezember mit den Sozialpartnern vereinbart: Am Feiertag Mariä Empfängnis (8. Dezember) können die Händler zwischen 9 und 19 Uhr aufsperren, bisher durfte das nur von 10 bis 18 Uhr passieren. An den beiden Einkaufssamstagen, 12. und 19. Dezember, dürfen die Geschäfte bis 19 Uhr offen halten.

Zweifel am richtigen Datum 7. Jänner

Anders ist die Stimmung in der Hotellerie: Es habe gefühlt eine halbe Ewigkeit gedauert, bis die Regierung ihre Pläne und Corona-bedingten Restriktionen für die Weihnachtszeit bekanntgegeben hat. Mit dem Geschlossen-halten-Müssen bis in den Jänner hinein habe man gerechnet; ob der 7. Jänner für das Aufsperren das richtige Datum sei, müsse sich erst weisen. Das ist, zusammengefasst, der Grundtenor der Stimmen, die DER STANDARD bei einem Rundruf in Hotels zwischen Bodensee und Neusiedler See einfangen konnte. Und: Kleinere Hotels und Beherbergungsbetriebe sind durchwegs zufriedener mit der finanziellen Entschädigung für den Lockdown als größere.

Zweifel am 7. Jänner als Aufsperrtermin rühren daher, dass die Infektionszahlen unter Einkalkulierung einer knapp 14-tägigen Inkubationszeit gerade nach dem Dreikönigstag wieder ansteigen könnten. Weihnachten wird von vielen Experten als "Gefahr" gesehen, weil sich durch familiäre Treffen eine erkleckliche Anzahl von Personen wieder mit dem Coronavirus infizieren könnte.

Schmerzvoller Lockdown

Schmerzlich, aber wohl unvermeidlich sei die Verlängerung des Lockdowns bis zumindest 7. Jänner, sagt Michaela Reitterer. Als Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) spricht sie für mehr als 1.500 Mitgliedsbetriebe, der Großteil davon in der Vier- und Fünf-Sterne-Kategorie. Das Um und Auf in dieser Ausnahmesituation sei es, die Infektionszahlen "rasch und nachhaltig" zu senken. Sie appelliert an die Eigenverantwortung der Menschen. "Am wichtigsten ist, dass wir alle die Maßnahmen ernst nehmen. Wenn wir zu Neujahr kein unschönes Erwachen erleben, haben wir eine gute Chance auf eine schrittweise Rückkehr zur Normalität und damit die Rettung vieler Arbeitsplätze und Existenzen", sagt Reitterer.

Sieht Probleme für Leitbetriebe durch die Deckelung der Förderung bei 800.000 Euro: ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer.
Foto: apa

Der Umsatzersatz von 50 Prozent für Dezember und das Weiterführen der Kurzarbeit würden die allermeisten Betriebe über diese kritische Phase retten. Aber gerade für Leitbetriebe sei die 800.000-Euro-Grenze, bis zu der es Umsatzersatz bzw. Fixkostenzuschuss geben kann, ein gröberes Problem. "Betriebe mit einer dreistelligen Zahl von Beschäftigten, wo mehrere Standorte in einem Unternehmen zusammengefasst sind, stoßen EU-rechtlich rasch an Grenzen. Da brauchen wir schnell eine Lösung, nicht nur für die Hotellerie, nicht nur für Österreich, sondern für viele Tausend Arbeitsplätze in ganz Europa", sagt die ÖHV-Chefin. Das betrifft Kettenhotels, aber auch Thermen mit Hotelbetrieb.

Tausende Betriebe warten seit März auf Entschädigung

Noch immer warten tausende Betriebe in Tirol, Kärnten, Salzburg und Vorarlberg auf Entschädigung aus dem Epidemiegesetz für die Zwangsschließung während des ersten Lockdowns. Unklar sei aber auch, wie es mit der Lehrlingsausbildung im Tourismus weitergehe. (Verena Kainrath, Günther Strobl, 3.12.2020)