Peter Klien widmete sich in "Gute Nacht Österreich" am Mittwochabend der Frage, ob Österreichs Regierung für PCR-Tests und nun Antigentests deutlich mehr zahlte als Deutschland oder die Slowakei.

Foto: Gute Nacht Österreich Screenshot
  • Update: ORF-Chef Alexander Wrabetz erklärt, er wolle "Gute Nacht Österreich" weiter im Fernsehen – aber überarbeitet. Donnerstag nannte Wrabetz den neuen Sendeplatz am Freitag als "Chance" für eine weniger "pseudoinvestigative" Variante (so nannte er die Recherchen für die Sendung in einer Mitarbeiterversammlung). Soll das mit nur drei, vier letzten Terminen im Jänner funktionieren, fragte DER STANDARD Donnerstagabend in einem Pressegespräch? Wrabetz erklärte, er will bei GNÖ "nicht Trockentraining bis zum Player", die Sendung solle "im Fernsehen funktionieren". Der Vertrag läuft nach STANDARD-Infos derzeit nur bis Ende Jänner.

Die schwierige Geschichte von "Gute Nacht Österreich"

Wie kann der ORF die Bevölkerung aufbauen in diesen fordernden Corona-Zeiten, die sich neben der Gesundheit auch auf die Stimmung schlagen? Das zu besprechen, rief ORF-General Alexander Wrabetz dieser Tage seine Führungskräfte zu sich. Doch in Wrabetz hatte sich etwas ganz anderes aufgebaut, dem er vor dutzenden Programmmanagern Luft machte: Grant über Peter Klien und sein "Gute Nacht Österreich".

Politische Satire in Zeiten der Generalswahl

Satire, zudem meist politische, im ORF und ganz besonders vor einer Generalsbestellung, ist, vorsichtig gesagt, schwieriges Terrain. Eine bürgerliche Mehrheit bestimmt im August 2021 im ORF-Stiftungsrat, wer den ORF künftig als Generaldirektor oder Generaldirektorin führt, wer Direktor wird und wer Landesdirektor. Und viele wollen etwas werden oder bleiben im kommenden Jahr.

Die kurze Geschichte von "Gute Nacht Österreich" in ORF 1 endet voraussichtlich mit Jänner 2021. Das Ende hatte sich schon im Frühsommer in der Budgetplanung für das kommende Jahr abgezeichnet. Nun hat Senderchefin Lisa Totzauer zwar nicht die Einstellung offiziell erklärt, im linearen Fernsehen von ORF 1 sieht sie das Satireformat nun aber nach eigenem Bekunden nicht mehr.

Vor dem Sommer wurde die Sendung mit "Dok 1" und "Talk 1" von Donnerstag auf Mittwoch verlegt, wo sie in den vergangenen Wochen wegen Live-Fußball mehrfach ausfiel. Nun wird sie auf Freitag nach "Was gibt es Neues?" verlegt, Ende Jänner dürfte Schluss sein in ORF 1.

Satire widersprechende Rücksichten

Mit Wrabetz' Ärger geht die kurze Geschichte von "Gute Nacht Österreich" mit jenen der Idee von Satire widersprechenden Rücksichten ihrem Ende zu, auf die sie schon in den ersten Wochen ihres Fernsehdaseins 2019 im ORF gestoßen war.

Ziemlich genau vor einem Jahr, Ende November 2019, kündigte der ORF in Trailern für "Gute Nacht Österreich" ein "Erklärstück" über das Netzwerk von Sebastian Kurz an. Allein: In der Sendung am 28. November 2019* widmete sich die Satiresendung nicht dem Kanzler, sondern dem Verhältnis von Bund und Ländern. Der durchaus auch interessante Beitrag mit Material aus einer Pilotsendung wurde nach STANDARD-Infos in einer spontanen Nachtschicht zusammengestoppelt.

Angekündigt, abgesagt: Erklärstück über Kurz-Netzwerk

Das schon avisierte Thema Kanzlernetzwerk wurde damals nach STANDARD-Infos vom Sender kurzfristig aus der Sendung reklamiert, was zu gröberen internen Verwerfungen geführt haben soll. Motto: Schon originell, dass just ein Beitrag über das Kurz-Netzwerk und seinen Einfluss nun nicht im ORF laufen könne.

Gute Nacht Österreich

Erst die Drohung mit sofortiger Arbeitsniederlegung für das Format soll den ORF bewogen haben, den Beitrag über das Kurz-Netzwerk in der Woche darauf doch on air gehen zu lassen.

Kernauftrag für öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Bei der Präsentation von "Gute Nacht Österreich" vor dem Sendungsstart im September 2019 erklärte ORF-1-Chefin Totzauer politische Satire "zum Kernauftrag für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wir zeigen auf sehr direkte Art und Weise unsere Unabhängigkeit und stärken unsere Glaubwürdigkeit."

In den USA ist TV-Politsatire wichtige politische Informationsquelle vor allem jüngerer Zielgruppen. "Wir wollen Inhalte vermitteln, die wahr sind und zum Lachen bringen, und so Zielgruppen etwas mitgeben, die nicht so informationsaffin sind", sagte die ORF-1-Senderchefin.

Totzauer damals zu "Gute Nacht Österreich": "Satire ist beinhart, direkt, mutig und trifft jeden – auch das Establishment. Satire hinterfragt." Und "weil alle drankommen, wird sich eh niemand aufregen müssen", sagte sie vor dem Start der Sendung

Satire darf nicht alles

Die eineinhalb Jahre "Gute Nacht Österreich" in ORF 1 zeigten, dass Satire im ORF-Fernsehen doch nicht alles darf. Aus Überlegungen für Erklärstücke über die Lebensmittelbranche, über den österreichischen Skiverband oder auch über "Österreich/Oe24"-Herausgeber Wolfgang Fellner wurde, soweit im Programm zu beobachten, nichts. Im Oktober 2019 stellte die Satireshow Medien wie die "Krone", "Heute" und "Österreich" mit einem gefakten Video eines Skorpions auf einem Wiener Spielplatz auf die Probe und veranschaulichte den Hang des Boulevards zur Panikmache.

Preisvergleich für Corona-Tests

Diesen Mittwochabend widmete sich Peter Klien in seinem Erklärstück den Ausgaben und Ausschreibungen der Regierung für PCR- und Antigentests. Der Befund der Redaktion: Insgesamt 93 Millionen Euro habe Österreichs Regierung mehr bezahlt als Deutschland (PCR-Tests vor November, teils an dieselben Labors) beziehungsweise als die Slowakei (aktuelle Antigentests).

Die bisher übliche ORF-Aussendung über die aktuellen Themen von "Gute Nacht Österreich" via APA-OTS entfiel diese Woche.

Wrabetz' Ärger

Und was ärgerte ORF-Chef Wrabetz an "Gute Nacht Österreich" in der vorigen Woche, jedenfalls laut mehreren Quellen? Satiriker Klien widmete sein Erklärstück dem Geschäft mit dem Skisport in Zeiten von Corona ("Für den Zaster riskiert man einen Cluster") und Klimawandel und millionenschweren (öffentlichen) Investitionsprojekten von Zürs bis Vorder- und Hinterstoder unter besonderer Berücksichtigung des dortigen Großgesellschafters, ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, dem der ORF seit vielen Jahren Fernsehrechte verdankt.

Erbaulich sind solche Liftprojekte im Wortsinn, aber eben nicht im Sinne der Stimmung in Bevölkerung und Wirtschaft, um deren Aufbau sich der ORF-Chef mit seinen Führungskräften kümmern wollte.

Ein Satirewerbespot von "Gute Nacht Österreich" warb vorige Woche um deutsche Skifahrer.
Foto: Gute Nacht Österreich Screenshot

Wirklich erzürnt haben soll Wrabetz aber der abschließende Satire-"Werbespot" der "Gute Nacht Österreich"-Redaktion: Der warb um deutsche Gäste, die sich von den Corona-Infektionsraten doch nicht davon abschrecken lassen sollten, nach Österreich zu kommen. Der Claim für traurige Wintersportler aus dem Nachbarland: "Österreich – Die Alternative für Deutschland".

Kabarett für Hedonisten

Im Programmausschuss vor dem Publikumsrat verwies das Channel-Management von ORF 1 zuletzt auf die für den Sender nun besonders interessante Zielgruppe der Hedonisten. Die interessierten sich besonders für Kabarett, hörten Sitzungsteilnehmer. Ab März 2021 kümmern sich insbesondere die "Science Busters" in ORF 1 um sie.

Alfred "Dorfers Donnerstalk", ein politisches Satire-Bühnenformat, startete 2004 noch unter der bürgerlichen ORF-Generaldirektorin Monika Lindner und endete 2010, wohl ohne Zusammenhang mit der Generalswahl 2011.

"Die 4 da" lief 2007 und 2008 in Alexander Wrabetz' ersten beiden Jahren als ORF-Generaldirektor. "Die Staatskünstler" gibt es inzwischen auf der Bühne und gelegentlich auf Puls 4. "Willkommen Österreich" läuft und läuft und läuft in ORF 1. Unlängst parodierte dort gar wieder einmal Christoph Grissemann Wolfgang "Fellner Live" – eine wöchentliche Serie solcher Parodien Anfang 2019 mündete (und endete vorerst) in Verwerfungen zwischen der Mediengruppe Österreich und dem ORF.

  • Update: Wrabetz verweist auf "Willkommen Österreich" Donnerstagabend erinnert ORF-Chef Wrabetz an die Ursprünge der Show von Dirk Sterman und Christoph Grissemann. Die ersten neun Folgen von "Willkommen Österreich" aus Wrabetz "größter Programmreform" von 2007 waren nach den Worten des seither amtierenden ORF-Chefs "legendär ungenießbar", etwa mit einem "Live-Begräbnis". Er habe dem damaligen Programmdirektor Wolfgang Lorenz gesagt, dass sich dieses "sehr, sehr schmale" Konzept "auf Dauer nicht durchzuhalten". Und "binnen drei, vier Wochen hätten die Sendungsmacher um David Schalko und John Lüftner das heutige Sendungskonzept entwickelt zu nun seit 13, 14 Jahren "eine der erfolgreichsten Sendungen des ORF". Wrabetz zu "Gute Nacht Österreich": "So etwas stelle ich mir auch vor."

(Harald Fidler, 3.12.2020)