Michael Brus fotografierte den Schauspieler Thomas Prenn. Er trägt eine Lederjacke von Versace, Rollkragenpullover von Carlota Barrera, Zigarettenkette von Renard Bijoux.
Foto: Michael Brus, Styling: Simon Winkelmüller

"Ich klettere auch gern die Stange hoch", Thomas Prenn deutet auf die vier Meter hohe Beleuchtung vor ihm, grinst. Er schaut dabei drein wie einer, der es ernst meint. Tut er auch. In seiner freien Zeit kraxelt der Südtiroler in den Dolomiten Felswände empor. An diesem Morgen im Skulpturengarten des Belvedere 21 bleibt er auf dem Boden, das Gewand ist zum Klettern nicht ganz so ideal.

Gerade steckt Thomas Prenn in einer violetten Samthose und einer schweren Lederjacke, die ihn fast verschwinden lässt. Für das RONDO-Shooting ist der in Berlin lebende Schauspieler nach Wien geflogen, noch am Abend geht es mit dem Zug nach München, Thomas Prenn steckt mitten in den Dreharbeiten zu einer deutschen Netflix-Serie.

Doch erst einmal heißt es jetzt wieder Umziehen. Prenn macht das Verkleiden Spaß. Sobald das Objektiv auf ihn gerichtet ist, liefert der 26-Jährige ab. In bauchfreiem Spitzenoberteil und Kummerbund verwandelt er sich in einen Flamencotänzer, mit einem federbesetzten Hut auf dem Kopf wird er zum durchgeknallten Napoleon, im engen Pullover tanzt er vor den Glasscheiben des Museums auf und ab, die Zigarette im Mundwinkel ist zwar nur ein Schmuckstück, lässt ihn aber wie James Dean in die Kamera schauen.

Rote Ohren

Mit der Routine eines Models schlüpft Prenn von einem Outfit ins nächste, schließlich ist er schon einmal in Paris für das Label Vetements über den Laufsteg gelaufen. Sich fürs Shooting die Ohren rot anpinseln lassen oder grünen Lidschatten auflegen? Keine große Sache.

Sakko von Marni, Hemd von Unrow, Hose von Arthur Avellano, Schuhe von Louis Vuitton.
Foto: Michael Brus, Styling: Simon Winkelmüller

Vor zwei Jahren hat der Südtiroler sein Studium an der Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin beendet. Heute gehört er zu den neuen Gesichtern des deutschsprachigen Films. "Den Wunsch, Schauspieler zu werden, habe ich fast aus dem Nichts geäußert", hat er einige Wochen zuvor erzählt. Anlässlich der Viennale-Premiere von Evi Romens Film Hochwald war auch er als Hauptdarsteller nach Wien gekommen.

Ganz so überraschend fiel die Entscheidung für die Schauspielerei aber wohl nicht aus. Schon während der Schulzeit hat er Theater gespielt und aus der Ferne prominente Abgänger der deutschen Hochschule bewundert: "Lars Eidinger als Hamlet habe ich mir auf Youtube angeschaut, als ich noch im Gymnasium war." Um August Diehl an der Burg als Prinz von Homburg zu sehen, fuhr er extra nach Wien. Noch bevor Prenn am Max-Reinhardt-Seminar in der österreichischen Hauptstadt vorsprechen konnte, bekam er die Zusage in Deutschland.

Auf nach Berlin

Mit 19 hieß es: raus aus Toblach, dem 3000-Einwohner-Dorf in Südtirol, auf nach Berlin. Jetzt, mit 26, ist der Schauspieler selbst drauf und dran, bekannt zu werden. Denn spätestens seit er 2018 im Tatort mitspielte und für die Rolle des an Schizophrenie erkrankten Jus-Studenten Damian mit einem Nachwuchspreis ausgezeichnet wurde, ist ihm die Aufmerksamkeit der Branche gewiss.

Lederjacke von Versace, Rollkragenpullover von Carlota Barrera, Zigarettenkette von Renard Bijoux.
Foto: Michael Brus, Styling: Simon Winkelmüller

"Die Anfragen wurden seither mehr", bestätigt der 26-Jährige, der zwischendurch Ensemblemitglied am Badischen Staatstheater Karlsruhe war. Seit jenem TV-Auftritt gehen viele dieser Anfragen in eine ähnliche Richtung: Der schlaksige Schauspieler mit den dunklen Locken scheint wie gemacht für fragile Männerrollen.

Im Film Hochwald, der im Jänner in die Kinos kommen soll, spielt er Mario, der in einem kleinen Dorf oberhalb von Bozen lebt. Mario ist ein Außenseiter im Dorfgefüge, ein Verlorener, der im Gemeindesaal von einer Karriere als Tänzer träumt und sich in seinen Jugendfreund Lenz verliebt.

Zeit zur Vorbereitung

Irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen Thomas und Mario? Prenn legt den Kopf schief, da muss er länger überlegen. "Der Gedanke, das Dorf zu verlassen, ist mir nah, der Rest nicht so wirklich." Dafür wirkt der Südtiroler viel zu organisiert. "Ich bereite mich gerne gut vor", erklärt er.

Im Fall von Hochwald habe er dafür zum Glück genügend Zeit gehabt. Eineinhalb Jahre schon wusste er, dass er Marios Part übernimmt. "So eine Rolle zu spielen ist eine Herausforderung. Man kann körperlich und emotional ganz viel machen und bedient nicht nur ein Stereotyp."

Prenn hat die Zeit genutzt, er hat zur Vorbereitung nicht nur Tanzfilme von John Travolta studiert, er hat auch mehrere Drehbuchfassungen gelesen, kommentiert und überarbeitet. Als die Drehorte feststanden, machte er sich auf in die Heimat und checkte schon einmal im Voraus das Bergdorf über Bozen und die Seilbahn.

Spitzenoberteil von Ann Demeulemeester, Kummerbund von Bottega Veneta, Hose von Wilfried Mayer, Schuhe von Rani Bageria, Handschuhe Stylist's own.
Foto: Michael Brus, Styling: Simon Winkelmüller

Während er von den Dreharbeiten erzählt, sitzt Thomas Prenn in einem Hotelzimmer, hoch oben im neunten Stock des Hotels Intercontinental im Viennale-Pressezentrum. Kurz zuvor hat der 26-Jährige noch mit Festivalchefin Eva Sangiorgi einen Kaffee getrunken, die gemeinsame Sprache verbindet, der Südtiroler spricht Italienisch, natürlich. Und er ist ein Filmfreak.

Nach dem Interview will er sich vor seiner Abreise noch die neue Arbeit des bulgarischen Filmemachers Kamen Kalew ansehen. Sein ultimativer Lieblingsstreifen? Prenn legt sofort los, er will gleich mehrere aufzählen: Lazzaro felice von Alice Rohrwacher, The Master von Paul Thomas Anderson und Bennys Video des österreichischen Regisseurs Michael Haneke.

Mit Abwechslung

Dass er derzeit mehr vor Kameras als auf Bühnen steht, das habe sich so ergeben, sagt Prenn. Der Schauspieler mag die Abwechslung, räumt aber auch ein, dass ihm das projektbezogene Arbeiten im Film mehr entspricht. Neben Produktionen wie Hochwald spielt Prenn in einigen Großprojekten der Streamingdienste mit, die ihn einem breiteren Publikum bekanntmachen dürften.

"Ich finde es toll, Formate zu machen, die weltweit gesehen werden können", so der Schauspieler. Für die Sky-Produktion 8 Tage des österreichischen Regisseurs Stefan Ruzowitzky stand er neben Devid Striesow und Christiane Paul vor der Kamera, derzeit laufen die Dreharbeiten zur zweiten Staffel der Netflix-Serie Biohackers. Trotz Covid laufen die Aufnahmen weiter, zweimal in der Woche wird das Team getestet.

Nach dem Shooting, Thomas Prenn ist längst wieder zurückgekehrt zu den Dreharbeiten in Deutschland, stellt er einen Kameraschwenk über die nächtliche Frankfurter Skyline online. Immer wieder teilt der Schauspieler Bilder aus seinem Leben: Thomas Prenn, modelnd für Vetements oder vor einem Viennale-Plakat stehend. So manches Mal ist unter den Likes auch eines von Lars Eidinger dabei. (Anne Feldkamp, RONDO, 20.12.2020)

Lederjacke von Juun.J., Samthose von Dries Van Noten.
Foto: Michael Brus, Styling: Simon Winkelmüller
Hemd von Dries Van Noten, Seidentuch von Gon, Hose von Prada.
Foto: Michael Brus, Styling: Simon Winkelmüller
Mantel von Louis Vuitton, Schuhe von Wilfried Mayer, Socken von Prada, Hut von Christoph Rumpf mit Maison Michel.
Foto: Michael Brus, Styling: Simon Winkelmüller
Hose von Arthur Avellano, Stricktop von Rani Bageria.
Foto: Michael Brus, Styling: Simon Winkelmüller