Bei Corona-Protesten in München wurden jüngst auch Schweden-Flaggen geschwenkt. Das skandinavische Land hat einen Sonderweg durch die Pandemie gewählt und das öffentliche Leben weniger stark eingeschränkt als andere Länder. Ob der Sonderweg ein guter war? Daran scheiden sich die Geister.

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Österreich kann im Umgang mit der Corona-Krise von Schweden lernen. So zumindest lautet das Fazit einer Publikation der wirtschaftsliberalen Agenda Austria. Die Experten des Thinktanks haben ausgewertet, welche Faktoren in der ersten Jahreshälfte für die Größe des wirtschaftlichen Einbruchs in den EU-Ländern verantwortlich waren. Also warum etwa die Wirtschaftsleistung in Schweden heuer laut EU-Kommission um mehr als vier Prozent eingebrochen ist, das österreichische BIP aber um mehr als acht Prozent.

Zu den Gründen gehört laut dem Papier nicht nur die Härte des Lockdowns, der in Schweden in der ersten Welle der Pandemie bekanntlich sogar ausblieb (zuletzt gab es auch in dem skandinavischen Land Einschränkungen). Auch die Qualität der politischen Führung und Verwaltung spiele eine Rolle. Eine Kategorie, in der neben Schweden auch Finnland besser abschneidet als Österreich. Der dritte Faktor ist der Tourismus – genauer gesagt, wie abhängig ein Land vom Fremdenverkehr ist.

Von Schweden lernen

Bei Qualität der öffentlichen Verwaltung bezieht sich das Papier auf den "World Governance Index" der Weltbank. Der zeige, wie sehr sich die Bevölkerung auf ihre Regierung verlassen kann – also wie gut die Führung der Politik ist und wie effizient die staatliche Verwaltung funktioniert. Österreich stehe dabei besser da als viele andere EU-Länder, mit den nördlichen EU-Staaten könne man es aber nicht aufnehmen.

"Je genauer und verständlicher die öffentliche Hand kommuniziert, was sie tut, desto größer die Akzeptanz der Bevölkerung", erklärt Heike Lehner, Autorin des Papiers. Eine rasche und zielgenaue Hilfspolitik werde auch durch zu viel Bürokratie erschwert. Lehner empfiehlt deshalb, möglichst alle Hilfen über eine einzige Stelle abzuwickeln: "Über einen One-Stop-Shop, wo alle Unterstützungen und – auch in Zukunft – alle Anfragen behandelt werden können."

Nur eine von mehreren Stellschrauben

Dass die Agenda-Austria-Expertin der österreichischen Regierung rät, bei der Qualität der öffentlichen Verwaltung anzusetzen, hat einen einfachen Grund. An den anderen Faktoren, die für die Corona-Rezession verantwortlich sind, lässt sich wenig ändern.

Wie sich der grenzübergreifende Tourismus entwickelt, liegt nur bedingt in der Hand der nationaler Regierungen. Und auch ein harter Lockdown ist eben manchmal aus medizinischen Gründen geboten, so die Expertin. Der schwedische Sonderweg zeige zwar eine eindeutig positive Wirkung auf die Wirtschaft. Man müsse aber auch die möglichen medizinischen und psychischen Folgen des schwedischen Laissez-faire-Ansatzes bedenken, schreibt Lehner.

Entsprechend vorsichtig fällt die Politikempfehlung der wirtschaftsliberalen Denkfabrik aus: "Um permanente Lockdowns zu vermeiden, ist ein eingespieltes Krisenmanagement samt Schnelltests, funktionierendem Contact-Tracing und einem digitalisierten Staatswesen notwendig", steht im Papier.

Schulden spielen keine Rolle

Die drei Faktoren – Härte des Lockdown, Rolle des Tourismus, Qualität der Verwaltung – sind aber längst nicht alle Faktoren, die sich auf die Tiefe der Corona-Rezession auswirken.

Welche Faktoren gibt es noch? "Man weiß es nicht genau", sagt Lehner: "Aber es gibt Faktoren, die man ausschließen kann." So zeigt die Auswertung, dass es für den Wirtschaftseinbruch in der ersten Jahreshälfte unerheblich war, wie hoch die Staatsschulden eines Landes waren. Die wirtschaftsliberale Denkfabrik empfiehlt trotzdem, die Schuldenstände zu verringern. (luis, 4.12.2020)