Heute würde Bildungsminister Heinz Faßmann gleich auf Masken im Unterricht setzen, um den Schul-Lockdown zu verhindern.
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Die Anregung mit der Theorieturnstunde war vielleicht nicht besonders geschickt. Aber dass er mit seinem Schulöffnungsplan alle zufriedenstellen kann, hat Heinz Faßmann (ÖVP) ohnehin nicht erwartet.

"Markante Fehler" bei seinem Handling der Corona-Pandemie will der Bildungsminister im Gespräch mit dem STANDARD aber auch rückblickend nicht erkennen: "Vielleicht haben wir manchmal die Schulen zu spät informiert, aber ich tue mir schwer zu sagen, 'das war falsch'." Denn: Wer habe schon vom Worst Case ausgehen wollen?

Am Montag nehmen Volksschulen, AHS-Unterstufen, Mittelschulen und Polytechnische Schulen nach dem zweiten Lockdown den Lehrbetrieb wieder auf – mit verschärften Sicherheitsvorkehrungen. Kinder ab zehn Jahren müssen jetzt auch im Unterricht einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Wie bei jeder Maßnahme gibt es auch an dieser einige Kritik, die Alternative zur Maske wäre aber wohl gewesen, dass auch die Jüngeren weiterhin zu Hause lernen müssen. Warum also hat Faßmann das so lange als unzumutbar abgelehnt?

STANDARD: Wäre es nicht weniger einschneidend gewesen, mit Maske im Gesicht zu lernen, als gar nicht mehr zum Unterricht kommen zu können?

Faßmann: Ja, wahrscheinlich. Aber ich habe auch ein gewisses Mitgefühl mit den Kindern und Lehrkräften, die den ganzen Schultag mit Maske verbringen müssen. Heute würde ich sagen: Es ist ein gelinderes Mittel als Schulschließungen.

Ob die Schulen in diesem Fall dann offen gehalten werden können, ist allerdings auch nicht gesichert. Es gehe bei allen Maßnahmen letztlich darum, Gesundheitsschutz und Bildungsauftrag abzuwiegen, erklärt Faßmann. Dass jetzt als Teil dieses Balanceakts Handel und Dienstleistungen wieder hochfahren, aber die Oberstufenschüler weiter daheim bleiben müssen, schmerzt ein wenig ("Natürlich hätte ich die Oberstufenklassen vor Weihnachten gerne wieder in den Schulen gesehen"), es habe aber auch eine positive Entwicklung gegeben, findet Faßmann: "Immerhin hat sich hier ein gewisser Gesinnungswandel eingestellt. Die Schulen kommen jetzt bei den Lockerungen nicht, wie im Frühjahr, als Letzte dran, sondern als Erste."

Kritik von allen Seiten

Nicht alle sehen die Öffnungspläne so positiv. Die Gewerkschaft der Pflichtschullehrer hätte sich statt der Maskenpflicht eine Rückkehr im Schichtbetrieb gewünscht. Die Opposition kreidet dem Minister vor allem den wochenlangen Fernunterricht für die älteren Schülerinnen und Schüler an. Das bereitet auch der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde Sorge. Hier rechnet man mit physischen und psychischen Langzeitfolgen besonders für jene Gruppe der Kinder und Jugendlichen, die ohnehin schon unter erschwerten Bedingungen lernen müssen. Der Bildungsminister will mit Förderunterricht ausgleichen, was in diesem Schuljahr versäumt wurde.

STANDARD: Wer soll hier teilnehmen? Wie soll das ablaufen? Mit welchem Geld wird das finanziert?

Faßmann: Wir werden durchaus beträchtliche EU-Mittel zur Verfügung haben ...

STANDARD: ... aber die sind ja noch gar nicht genehmigt ...

Faßmann: ... aber die werden kommen. Der Förder- und Ergänzungsunterricht soll dann im Sommersemester stattfinden. Die Klassenlehrer sollen feststellen, wer Bedarf hat. Es können aber auch Schülerinnen und Schüler von sich aus teilnehmen.

STANDARD: Wie viele Stunden planen Sie da? Und wie hoch muss folglich das Budget sein?

Faßmann: Es handelt sich um einen zweistelligen Millionenbetrag, der hier investiert werden soll. Bei den Maturantinnen und Maturanten wollen wir bis Schuljahresende zwei Stunden Ergänzungsunterricht pro Woche anbieten. Für alle anderen könnte es in ähnlichem Umfang sein.

Dass auch vor dem Schul-Lockdown von "normalem" Unterricht an vielen Standorten kaum die Rede sein konnte, will der Minister so nicht stehen lassen. Der Unterricht sei trotz aller Verdachtsfälle, Absonderungen & Co "gut über die Runden gebracht" worden. Für weitere Entspannung sollen Antigen-Schnelltests sorgen, die ab Montag laut Faßmann bei den Schulärzten in acht Bundesländern verfügbar sind. Wien bleibt beim Gurgeltest.

STANDARD: Zusätzlich wollen Sie die Lehrkräfte regelmäßig testen. Ab wann und in welcher Frequenz?

Faßmann: Das müssen wir noch genauer klären. Ab Jänner sollte diese Maßnahme jedenfalls installiert sein. Monatliche Tests wären nicht aussagekräftig, tägliche sind nicht machbar. Sinnvoll wäre wohl eine wöchentliche Testung oder alle zwei Wochen.

Was die FFP2-Masken anlangt, die Faßmann erst vor wenigen Wochen für alle Lehrkräfte angekündigt hat, verweist der Minister auf die Lage am Weltmarkt. Erst jetzt sei es möglich gewesen, diese auch in großer Stückzahl anzuschaffen. Ob die Masken endlich vor Ort eingetroffen sind? "Wir haben 6,5 Millionen Masken an die Schulen ausgeliefert. Wir fragen bei jedem nach, der sagt, ihm fehlen noch Masken. Bisher hat sich das in keinem Fall erhärtet."

"Man kann nicht alles haben"

Auch mit der Suche nach zusätzlichen Räumlichkeiten war das Ministerium etwas spät dran. Der Ressortchef glaubt, dass bei den Gemeinden erst jetzt die Zeit für solidarisches Handeln reif sei. Außerdem mache er sich keine Illusionen: Das werde nur bei einer Handvoll Fälle Abhilfe schaffen, denn "natürlich muss so ein externer Klassenraumersatz nahe gelegen sein". Der Schichtbetrieb sei als Alternative nicht infrage gekommen, denn dann wären die Öffis wieder voll besetzt, gerade von einer Altersgruppe mit einer hohen Inzidenz. Außerdem: "Man kann nicht alles haben. Sonst kommen wir wieder in eine Situation, in der die Infektionszahlen rasch steigen." Und im Jänner geht dann alles? Da geht Faßmann wieder vom Best Case aus: Ausreichend Schnelltests und entsprechend vernünftiges Verhalten der Bevölkerung würden den dritten Schul-Lockdown sicher abwenden. (Karin Riss, 4.12.2020)