Im Homeoffice kann die Maus rasch zur Ratte werden – und es ist nicht geregelt, wer für den Schaden aufkommt.

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Wien – Vor dem Arbeitstreffen zum Thema Homeoffice von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) und den Sozialpartnern am 11. Dezember offenbaren sich tiefe Gräben zwischen den Interessenlagen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Wiewohl beide Seiten das konstruktive Klima in den vier Gesprächsrunden seit September auf Expertenebene beschwören: Einige Punkte scheinen kaum überwindbar, zumal die Arbeitgeberseite nicht mit einer Stimme spricht. Zu unterschiedlich seien die Bedürfnisse der Industrie und der Dienstleistungsbranchen, die klar von Klein- und Mittelbetrieben dominiert werden, heißt es unisono. Während in den Industrie-Kollektivverträgen viele Details geklärt oder zumindest in Betriebsvereinbarungen geregelt seien, biete das Angestelltengesetz beim Thema "mobiles Arbeiten" zu viel Gestaltungsspielraum, wie auf Arbeitnehmerseite beklagt wird.

  • Arbeitszeit, Arbeitsruhe: Dieser Themenbereich umfasst die meisten Unsicherheiten – auf beiden Seiten. Kontrollierbar ist weder die Einhaltung gesetzlich vorgeschriebener Pausen noch die in der EU-Richtlinie vorgesehene elfstündige Mindestarbeitsruhe. In der Praxis verlagern Dienstnehmer nicht termingebundene Tätigkeiten zuweilen in die Nacht, um Kinderbetreuung zu schaffen. Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz gelten auch für das Remote-Arbeiten, heißt es dazu von Gewerkschaft (ÖGB) und Arbeiterkammer (AK), die eine Aufweichung nach Vorbild des Tourismus fürchten, wo bei geteilten Diensten (mit längeren Pausen) die tägliche Mindestruhezeit verkürzt werden kann.
  • Aufwands- und Kostenersatz gehören zu den am heftigsten umstrittenen Themen. Wer die Kosten für Ausstattung und Betrieb von Heimarbeit zu tragen hat, darüber gehen die Auffassungen zwischen den Sozialpartnern weit auseinander. Die von Industrievertretern befürworteten steuerlichen Gutschriften nach Vorbild der Pendlerpauschale stoßen beim Sozialpartner-Gegenüber auf Ablehnung.
    Der Hintergrund: Zwar wären Pauschalbeträge unbürokratisch im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung geltend zu machen, zahlen würde dabei für den Aufwand allerdings die Allgemeinheit und nicht der Dienstgeber, wie das im klassischen Büro der Fall ist. Da die Hälfte der Steuereinnahmen im Wege der Lohnsteuer von den unselbstständig Erwerbstätigen komme, würden sich die Arbeitnehmer ihre Computer, Mobiltelefone, Drucker und Internetanschlüsse quasi selber zahlen, hält man bei AK und ÖGB dagegen. Das sei ungerecht, käme einer kaum argumentierbaren Begünstigung der Wirtschaft gleich.

Steuerfreistellung als Ausweg

Ein monatlicher Kostenersatz, den Betriebe ihren Beschäftigten mit dem Gehalt überweisen, könnte ein Kompromiss sein. Der hat allerdings den Nachteil, dass nur ein Teil davon beim Dienstnehmer ankommt, weil der Betrag zu versteuern ist, also der Fiskus mitkassiert. Einer Steuerfreistellung müsste Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zustimmen. Dort hält man sich bedeckt. Sollten die Sozialpartner Derartiges vorschlagen, werde man sich damit beschäftigten, wiegelte ein Finanzministeriumssprecher ab.

  • Betriebsvereinbarungen: Als unüberwindbarer Brocken erweisen sich betriebliche Vereinbarungen zur Homeoffice-Praxis. Die Gewerkschaft pocht auf sogenannte erzwingbare Betriebsvereinbarungen, also zwischen Betriebsräten und Dienstgebern verpflichtende Regelungen. Den Arbeitgebern hingegen sind fakultative das Höchste der Gefühle, also Vereinbarungen, sofern es opportun ist.
  • Unfallschutz und -versicherung im Homeoffice sind bis 31. März gewährleistet, danach bräuchte es eine weitere Verlängerung per Verordnung oder eine Neuregelung, idealerweise für jede Art der ortsungebundenen mobilen Arbeit.
  • Sicherheits- und Haftungsfragen bedürfen ebenfalls der Klärung. Derzeit ist beispielsweise nicht klar, wer für Schäden durch Virenbefall eines Privat-PCs aufkommt.
  • Freiwilligkeit gehört auch zu den ewigen Streitpunkten. Die Arbeitgeber wollen Homeoffice verordnen können (derzeit nicht möglich), die Arbeitnehmer wollen zumindest ablehnen können. Es braucht also, wie bei allen Punkten, Einvernehmen. (Luise Ungerboeck, 4.12.2020)