Wer wird CDU-Chef? Friedrich Merz will ebenso wie Armin Laschet, der mit Jens Spahn als Kandidat für den Vizechef antritt. Norbert Röttgen drängt es auch an die Spitze.

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Dass die CDU die Grünen um Rat fragen muss, das ist im politischen Betrieb in Berlin eigentlich nicht vorgesehen. Derzeit jedoch hat man im Konrad-Adenauer-Haus immer wieder mal Gesprächsbedarf und ruft dann in der grünen Parteizentrale an. "Wir sind dankbar für alle Tipps", sagt einer aus der CDU.

Die deutsche Ökopartei hat nämlich schon geschafft, was der CDU noch bevorsteht und was dieser seit Monaten ziemliches Kopfzerbrechen breitet: ein digital abgehaltener Parteitag.

Kaum einen Lebensbereich gibt es, den Corona nicht durcheinanderwirbelt. Betroffen ist auch die Arbeit von Parteien, und damit hat die CDU besonders zu kämpfen.

Zur Erinnerung: Zermürbt von internen Zwistigkeiten, hat Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer im Februar hingeworfen und erklärt, sie bleibe nur noch im Amt, um ihre Nachfolge zu organisieren. Ein Parteitag zur Neuwahl der Führung im April war zunächst geplant gewesen, doch daraus wurde wegen Corona nichts. Man verschob auf den 3. bis 5. Dezember, verkürzte dann auf den 4. Dezember und war sich lange Zeit sicher: "Das kriegen wir gut hin." Doch vor einigen Wochen musste auch dieser Plan verworfen werden. Die pandemische Lage lässt ein Treffen nicht zu.

Ruinöser Wettbewerb

Weil die CDU dieses Jahr keinen Parteitag hinbekommt, taumelt sie nun führungslos ins Bundestagswahljahr. "AKK" verwaltet den Laden nur noch, es gibt keine Ideen, keine Initiativen. Stattdessen findet zwischen den Bewerbern, wie Kramp-Karrenbauer selbst beklagt, ein "ruinöser Wettbewerb" statt.

Die Kandidaten für ihre Nachfolge – Ex-Fraktionschef Friedrich Merz, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und Ex-Umweltminister Norbert Röttgen – beäugen sich misstrauisch und sparen nicht mit Kritik aneinander.

Merz witterte, als der für 4. Dezember geplante Parteitag abgesagt wurde, überhaupt die große Verschwörung und wütete, die Absage erfolge nur, weil das "Partei-Establishment" den letzten Teil "der Aktion ,Merz verhindern‘" durchziehe. Noch mehr als die Weihnachtsferien sehnen viele daher in der CDU einen Parteitag herbei.

Andere haben es da viel einfacher. "Die FDP ist die erste Bundestagspartei, die im Corona-Jahr einen Präsenzparteitag wagt" – so jubelten die Liberalen, als sie sich im September trafen – unter Auflagen, die in einem 40-seitigen Hygienekonzept standen.

Doch im September hatte es weniger Neuinfektionen gegeben, zudem kommen bei FDP-Parteitagen nicht so viele Menschen zusammen wie bei der CDU. Bei dieser wollen 1001 Delegierte in eine einzige Halle – und noch einmal so viele Mitarbeiter, Gäste und Journalisten.

Online, wie bei den Grünen?

Jetzt könnte es die CDU so machen wie die Grünen vor zwei Wochen. Diese haben auf einem Digitalparteitag ihr neues Programm beschlossen und stecken damit schon in den Vorbereitungen für den Bundestagswahlkampf.

Aber die CDU muss und will dringend ihre Führung wählen. Und das ist gemäß der gesetzlichen Lage nicht virtuell erlaubt.

Um aus dem Dilemma zu kommen, tüftelt man in der Zentrale seit Wochen an einem Plan, um endlich einen neuen Vorsitzenden wählen zu können.

Delegierte auf dem Sofa

Ersonnen wurde folgende Variante. Mitte Jänner – vermutlich am Samstag, dem 16. – wird ein Digitalparteitag abgehalten. Alle drei Kandidaten werden in einer Halle in Berlin ihre Bewerbungsreden abgeben. Die Delegierten schauen vom Sofa oder wo auch immer aus zu.

Dann werden sie digital abstimmen. Das ist möglich, weil eine "Vorentscheidung" bei der Findung der neuen Führung auf diese Weise gestattet ist. Nach spätestens der zweiten Vorabstimmung steht der Sieger fest. Der muss dann noch mal ganz altmodisch, aber fälschungssicher per Briefwahl bestätigt werden.

Doch was nach Ei des Kolumbus klingt, hat auch seine Tücken: Falls die Stichwahl sehr knapp ausgeht, könnte der Unterlegene nicht aufgeben, sondern fordern, dass auch sein Name noch auf den Papierzettel für die finale Entscheidung kommt. Und dann ginge die Warterei von vorne los. "Wir müssen alle Varianten in Betracht ziehen", stöhnt man in der CDU-Zentrale.

Lange lag in Umfragen Merz deutlich in Führung, gefolgt von Laschet, Röttgen hingegen war abgeschlagen. Doch eine neue Civey-Umfrage für den Spiegel sieht nun Röttgen aufholen. Merz liegt bei 33,4 Prozent, Röttgen mit 27,4 Prozent nicht mehr so weit dahinter. Laschet schafft nur noch 12,7 Prozent. Sicher ist derzeit nur eines: In der CDU-Zentrale machen sie drei Kreuze, wenn die Wahl endlich geschafft ist. (Birgit Baumann aus Berlin, 4.12.2020)