Wer im Homeoffice arbeitet, muss nicht mehr unbedingt in der Stadt sitzen. Das erkennen jetzt manche.

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Für Angelika Gruber (Name geändert) und ihre Familie war dieses Jahr quasi der Probedurchgang. Schon seit einiger Zeit überlegte die vierköpfige Familie, von Wien in die Steiermark zu ziehen. Das dafür passende Haus hatten sie Anfang März gekauft, mit dem Plan, im Sommer zwei Wochen Urlaub zu nehmen, um es auszuräumen.

Dann kam der Lockdown und alles anders. Letztendlich verbrachten die Grubers viele Wochen in diesem Jahr in der Steiermark; Homeoffice und -schooling machten es möglich. Nun wurde der Entschluss gefasst, bald endgültig aufs Land zu ziehen.

Wie den Grubers ging es im heurigen Jahr vielen. Sie sind zurück in ihre Heimatorte, Kinderzimmer oder in den Zweitwohnsitz auf dem Land gezogen, denn was sie früher daran hinderte – berufliche Verpflichtungen, das große kulturelle Angebot der Stadt oder die Freunde –, all das war in diesem Jahr Geschichte, zumindest war dafür keine körperliche Anwesenheit mehr nötig oder möglich.

Viele Abnehmer

Das hat auch Auswirkungen auf den Immobilienmarkt. Auf dem Land ist die Nachfrage nach Wohnformen aller Art größer geworden. Etwa in Murau in der Steiermark. Dort arbeitet Stefan Petzl als Immobilienmakler bei s Real. Wer hier aktuell etwas verkaufen will, habe gute Karten, weil es viele Abnehmer gibt, sagt er und nennt den Trend, aufs Land zu ziehen, "keine extreme Flucht, aber einen leichten Wind". Vor allem aus den Städten kommen die Interessenten. Die Preise seien im heurigen Jahr etwas angestiegen.

Gesunken sind die Preise für Wohnimmobilien durch Corona nicht.

Szenenwechsel ins Waldviertel. Dort sind vor allem gebrauchte Häuser gefragt. Die Menschen wollen derzeit keine Zeit fürs Bauen aufwenden, sondern rasch eine Immobilie beziehen, weiß Peter Weinberger von der Waldviertel Immobilien Vermittlung von Raiffeisen. Teilweise gibt es sogar zu wenig Angebot. Und was sich heuer noch verändert hat: Die Menschen wollen nun ihren Wohnsitz komplett ins Waldviertel verlegen und suchen nicht mehr, wie früher, nur Zweitwohnsitze.

Wohnen abseits vom Einfamilienhaus

Einfamilienhäuser sind nach wie vor ein Traum vieler Österreicher, vor allem im ländlichen Raum. Laut einer Befragung des Ziegelproduzenten Wienerberger würde die Mehrheit der 20- bis 39-Jährigen ihr Haus zurzeit gerne in Niederösterreich oder Oberösterreich bauen. Beliebt sind dafür vor allem Gemeinden mit bis zu 5.000 Einwohnern. Und die Häuslbauer sind bereit, tiefer für ihren Traum in die Tasche zu greifen. Ein Drittel der 20- bis 39-Jährigen würde dafür bis zu 500.000 Euro ausgeben, 16 Prozent sogar mehr.

Dennoch gibt es auf dem Land nicht nur das Wohnmodell Einfamilienhaus. Mit Blick auf Ressourcen- und Flächenverbrauch entstehen auch dort nachhaltigere Immobilienprojekte, etwa gemeinschaftliches Wohnen wie das Projekt B.R.O.T. in Pressbaum. Den Bewohnerinnen und Bewohnern ist der Community-Gedanke wichtig, denn auch auf dem Land gibt es Probleme, die Lockdown, Homeoffice und Homeschooling verursachen. So haben die Bewohnerinnen und Bewohner etwa ihren Gemeinschaftsraum als Coworking-Space eingerichtet und unterstützen sich gegenseitig bei Einkäufen und der Kinderbetreuung.

Wohnungssuche in der Stadt

Aber auch in den Städten werden weiterhin Wohnungen gesucht. Im Lockdown im Frühjahr saßen viele Menschen mehr zu Hause als sonst – und haben bemerkt, dass ihre Wohnsituation nicht passt. Das wirkt sich jetzt auch auf das, was sich Wohnungssuchende wünschen, aus. Offene Grundrisse, wie sie in den letzten Jahren modern geworden sind, haben sich nicht in allen Familien als praktikabel erwiesen. Eine Wohnung ohne Balkon, Terrasse oder Loggia? Geht gar nicht mehr.

Viele träumen von mehr Platz, damit das Homeoffice nicht mehr am Küchentisch über die Bühne gehen muss. Allerdings scheitert das oft am finanziellen Rahmen. Denn entgegen manchen Erwartungen sind die Preise in Ballungsräumen nicht gesunken, ganz im Gegenteil. Gewohnt werden muss auch in Zeiten einer Pandemie.

Mitunter steht sogar der Umzug während des Lockdowns an: Eva K., 25, zog vergangene Woche bei ihren Eltern im Linzer Umland aus und in eine Genossenschaftswohnung in Linz. Die Möbel kaufte sie noch rechtzeitig vor dem zweiten Lockdown, manches Regal fehlt ihr noch. Und ein Sofa, das zwar ans Möbelgeschäft geliefert wurde, das sie von dort aber derzeit nicht abholen darf.

Kredit bekommen

Eine entscheidende Veränderung beobachten Branchenkenner durch Corona: Für manche, die sich jetzt den Traum vom Eigenheim in der Stadt oder auf dem Land verwirklichen wollen, ist es seit März deutlich schwieriger geworden, überhaupt an einen Kredit zu kommen. Viele Banken hätten ihre Bedingungen für die Kreditvergabe geändert, berichtet Andreas Luschnig, Niederlassungsleiter der Kredit-Vergleichsplattform Interhyp in Wien.

War es vorher noch möglich, mit kaum Eigenmitteln, aber einem guten Job an einen Kredit zu kommen, wird jetzt mehr Budget verlangt. Und auch die Branche, in der potenzielle Käufer tätig sind, wird vermehrt unter die Lupe genommen. Flugbegleiter haben es bei manchen Banken aktuell daher schwer.

Familie Gruber ist da schon einen Schritt weiter. Dass Wohnen auf dem Land für sie funktioniert, hat ihr das letzte Jahr gezeigt. Der Umzugswagen kann also kommen. (Bernadette Redl, Franziska Zoidl, 9.12.2020)