"Krone" und "Heute" mussten vor Gericht eine Niederlage einstecken.

Foto: Robert Newald

Wien – Richter Gerald Wagner macht in seiner Urteilsbegründung keinen Hehl aus seiner Meinung über die inkriminierten Artikel von "Kronen Zeitung", "krone.at" und "heute.at". Die Berichte über einen Zwischenfall mit Sicherheitsleuten in der U-Bahn seien "extrem exzessiv zugespitzt", "völlig aus der Luft gegriffen", es könne "keine Rede von neutraler Berichterstattung sein", und die "heute.at"-Geschichte sei "ein Reißerstück".

Was ist geschehen, dass Wagner in einem Medienprozess um üble Nachrede und Verletzung der Unschuldsvermutung gegen die beiden Unternehmen derart drastische Worte findet? Die von einem hochrangigen Mitarbeiter von "heute.at" mit seinem Kürzel versehene Geschichte titelte es so: "Keine Maske – Öffi-Securitys attackieren Wiener brutal".

Keine Maske in der Station

L., ein 39-jähriger Selbstständiger, hatte behauptet, er sei in der U-Bahn-Station Karlsplatz nachts von drei Securitys der Wiener Linien wegen seines fehlenden Mund-Nasen-Schutzes (MNS) angesprochen worden. Es entstand eine Diskussion; bevor er den Zug betrat, habe er seinen MNS angelegt. In der Garnitur sei der Streit jedoch weitergegangen, er habe sie verlassen sollen.

"Heute.at" zitierte L. Ende Juli so: "Die drei Security stürzten auf mich zu und zerrten mich aus der U-Bahn. Dort nahmen sie mich in den Schwitzkasten und stießen mich so brutal zu Boden, dass ich sogar einen Schuh verlor." In der "Krone"-Berichterstattung findet sich dazu der Passus: "und dann diese – wie Videos aus Überwachungskameras belegen – offensichtliche und übertriebene Aktion". Das Problem: Die Videos zeigen deutlich, dass die Geschichte nicht stimmt.

Gespräch "nicht auf höchstem Niveau"

Als Zeuge erzählt L. dem Richter, er habe damals drei Bier getrunken und war auf dem Heimweg. Als ihn die Securitys auf dem Bahnsteig auf die fehlende Maske ansprachen, habe er den Standpunkt vertreten, die Verordnung sei nicht gültig. "Es hat sich nicht auf höchstem Niveau abgespielt, dieses Gespräch", gesteht er nun zu.

Und er gibt zu, wie seine Verletzungen – Schürfwunden und blaue Flecken – wirklich entstanden sind. Nachdem ihn die drei Männer der Wiener Linien aus dem Waggon gebracht haben, wollte er im letzten Moment, bevor der Zug abfährt, nochmals hineinspringen. Und stürzte dabei heftig, wie die Überwachungskameras auch aufzeichneten. Kein Schwitzkasten, kein Zu-Boden-Stoßen, keine Prügel.

Damals zeigte L. das Trio dennoch an, nahm sich auch einen Rechtsbeistand. Dieser informierte die "Krone"-Reporterin und kam dafür mit Foto und Zitat in der Geschichte unter. Detto auf "heute.at", wo er als "Staranwalt" mit dem Satz zitiert wird: "Das Vorgehen der Überwachungsorgane war kriminell."

Verfahren gegen Securitys eingestellt

Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen die drei Securitys nach Sichtung des Videos ein, auch ein Richtersenat lehnte den Wiederaufnahmeantrag ab. Für die drei Männer war es da schon zu spät: Denn die Medienhäuser hatten bereits ein zusammengeschnittenes Überwachungsvideo veröffentlicht, auf denen das Trio eindeutig zu erkennen war.

Die Folge: Sie wurden nicht nur von Verwandten, Bekannten und Kollegenschaft wochenlang auf den Fall angesprochen, auch von Fahrgästen seien sie angepöbelt worden, berichten sie als Zeugen. Man habe L. damals bereits auf den fehlenden MNS hingewiesen, als er die Station betrat, später auf dem Bahnsteig wieder. Seine Reaktion laut Aussage der Zeugen: "Ich brauch keine Maske, was wollts, ihr Rambos?" Später seien noch Worte wie "Volltrottel" und "Hurensohn" von L. gekommen. Der Einsatz sei aber nicht ungewöhnlich gewalttätig verlaufen, beteuern alle drei Zeugen, außerdem seien Maskenverweigerer in der U-Bahn alltäglich.

Mit Securitys sprach niemand

Die Anwältin der Securitys, die auch für den STANDARD tätige Maria Windhager, fasst in ihrem Schlussplädoyer die Sache so zusammen: "Das Perfide ist, dass in der Berichterstattung ein vollkommen anderer Eindruck vermittelt wird." Mit ihren Mandanten habe aber nie ein Journalist gesprochen. Und die Szenen aus dem Video, das den selbstverschuldeten Sturz nicht zeigt, würden nicht die Realität zeigen.

Wagner sieht das ebenso und verurteilt die Medienhäuser wegen übler Nachrede und "heute.at" auch wegen Verletzung der Unschuldsvermutung nicht rechtskräftig zur Zahlung von insgesamt 21.100 Euro an die drei Privatankläger. Die Darstellung des Vorfalls in den Berichten fasst er am Ende in einem Satz zusammen: "Jedenfalls ist es nicht wahr." (Michael Möseneder, 25.1.2021)