Slowenisch-österreichische Grenze beim Karawankentunnel, aufgenommen am Sonntag, 16. August 2020.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) argumentiert die neuen Einreisebeschränkungen mit den Erfahrungen des Sommers. Damals seien "durch Reiserückkehrer und insbesondere durch Menschen, die in ihren Herkunftsländern den Sommer verbracht haben, uns Ansteckungen wieder ins Land hereingeschleppt" worden. In der ZiB 2 am Mittwoch bekräftigte Kurz: "Wir wissen, dass wir ein Drittel unserer Neuinfektionen im Sommer uns aus dem Ausland eingeschleppt haben."

Der Mathematiker und Statistiker Erich Neuwirth kann sich auf die Zahlenangaben des Kanzlers keinen Reim machen: "Ich weiß nicht, woher der Kanzler diese Zahlen haben konnte. Es gibt keine mir bekannten Zahlen, die etwas zu Migration oder Nationalität aussagen." Er schließt aber nicht aus, dass es Zahlen dazu geben könnte.

Einen deutlichen Hinweis liefern die Statistiken der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages). Demnach betraf das von Kurz erwähnte "Drittel" an Infektionen die zwei Sommerwochen vom 10. bis 23. August. Hier lag der Anteil der Corona-Fälle, die dem "Westbalkan" zuzuordnen waren, bei 29 und 34 Prozent. Aber, und darauf weist die Ages auf STANDARD-Nachfrage nachdrücklich hin: "Die Angaben sind rein geografisch zu sehen, sie beschreiben die Region, wo sich Personen mit Sars-CoV-2 infiziert haben. Kroatien fällt in dieser Darstellung unter den Begriff Westbalkan. Diese Darstellung bezieht sich nicht auf die Nationalität der infizierten Personen."

Konkret: Es handelt sich um eine Mehrheit von österreichischen Urlaubern, die nach der Reisewarnung der Bundesregierung nach Österreich zurückkehren mussten. Wie viele nun tatsächlich aus ihren Herkunftsländern zurückkehrten, lässt sich auch mit Ages-Zahlen nicht überprüfen. Es ist jedenfalls nur ein Teil davon, maximal die Hälfte. Das wären in diesen beiden Wochen im höchsten Fall wohl nur rund 15 Prozent.

In der Zeit davor und danach lag der "Westbalkan"-Anteil zwischen drei und zwölf Prozent. (Walter Müller, Colette M. Schmidt, 3.12.2020)