Ein Bild aus besseren Zeiten: Der Wiener Musikverein wird am 1.1. 2021 publikumsfrei bleiben.

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Der Freude von Museumsverantwortlichen über die Öffnungsaussichten ihrer Häuser steht ein murrendes Hinnehmen seitens der Theater- und der Operndirektoren gegenüber. Ihre Häuser bleiben ja bis auf weiteres geschlossen. Burgtheaterdirektor Martin Kušej fordert denn auch "Gewissheit für Planung und Vorbereitung" wie auch Staatsoperndirektor Bogdan Roščić. In Hinblick auf den Jänner 2021 sei es "für uns entscheidend, dass wir rechtzeitig disponieren und kommunizieren können", wann gespielt werden kann.

Immerhin hat Vizekanzler Werner Kogler für Mitte Dezember eine Zwischenevaluierung der Situation versprochen, die mehr Klarheit bringen könnte.

Seltsame Gewissheit jedenfalls haben die Philharmoniker bezüglich des Neujahrskonzertes mit Riccardo Muti. Es wird stattfinden, allerdings, so Orchestervorstand Daniel Froschauer, "ohne Publikum". Es gilt nun also, in einem leeren Goldenen Saal des Musikvereins richtige Musizierstimmung herzustellen.

Sonderbare Momente

Der TV-Seher soll am 1. Jänner 2021 von der Saalleere jedenfalls nicht belästigt werden. Diesbezüglich ist mit dem ORF noch einiges zu besprechen. Auch, wie ein Konzert ohne klatschende Zuhörer das gewisse Etwas bewahren soll, müsse noch "dramaturgisch" durchdacht werden, so Froschauer. Schließlich würde es etwa einen sonderbaren Moment ergeben, wenn auf "eine Schnellpolka kein Applaus" folgt. Womöglich fasst man also ein paar Stücke zusammen, versucht, thematische Bögen zu kreieren.

Das Programm steht jedoch schon länger fest, an ihm sei nicht zu rütteln. Wie man mit der traditionellen Zugabe, dem Radetzkymarsch als obligatem Mitklatschhit des Neujahrskonzerts, umgehen wird? Vielleicht "können wir im Orchester selber klatschen", spekuliert Froschauer, ohne sich festlegen zu wollen. Es dürften jedenfalls an die 30 Millionen TV-Zuschauer weltweit dabei sein. Und diese verdienen ein Konzert "als positive Botschaft" für die ganze Welt. Dass die Bundesregierung dem Kulturbereich gegenüber zu streng sei, möchte Froschauer nicht behaupten.

Disziplin gefordert

Die Philharmoniker jedenfalls wollen diszipliniert für Sicherheit sorgen. Erstens würden für die Musiker "selbstverständlich die Regeln wie für alle anderen Staatsbürger" gelten. Zudem beugt man etwaigen Ansteckungen vor. Es wird zwei Pools von Musikern geben. Ein Teil spielt in der Staatsoper (die Abende auf ORF III), ein anderer widmet sich der Vorbereitung das Neujahrskonzerts. Natürlich würde getestet; außerdem setze man auf die Eigenverantwortung der Kollegen: "Ich gehe davon aus, dass jeder für sich vernünftig agiert", so Froschauer.

Zu den konkreten finanziellen Folgen der Corona-Krise für die Wiener Philharmoniker wollte sich das Orchester nicht detailliert äußern. "Wir haben natürlich enorme Verluste", unterstrich Geschäftsführer Michael Bladerer angesichts allein 35 abgesagter Konzerte im ersten Lockdown: "Das ist ein extrem schwerer wirtschaftlicher Schlag für uns."

Geld zurück

Wie die Konzertsituation nach dem Neujahrskonzert aussehen, ob es "Begegnungen" mit Publikum geben würde, darauf hatte Froschauer keine Antwort. Er hält sich für keinen großen Propheten, schließlich habe er geglaubt, "im September wäre alles vorbei". Diese Voraussagevorsicht verbindet ihn auch mit Bundestheater-Geschäftsführer Christian Kircher. Bezüglich der finanziellen Folgen der Schließungen meinte er: "Wir rechnen praktisch täglich mit neuen Szenarien", vorerst bleibe der Kartenverkauf ausgesetzt.

Mehr Kartenklarheit gibt es beim Neujahrskonzert. Das Geld für Tickets wird rückerstattet. Jene, die ausgelost wurden, dem Konzert beizuwohnen, werden aber 2022 sicher im Goldenen Saal sitzen. Falls die Virusepoche vorbei sein sollte. (Ljubiša Tošic, 4.12.2020)