Amazon-Boss Jeff Bezos (Bild) braucht nicht nervös werden über die ORF-Strategie, versichert General Alexander Wrabetz.

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Wien – Österreichs größter Medienkonzern ORF will bis 2025 auf "Augenhöhe" mit internationalen Digitalkonzernen kommen: So beschreibt ORF-Chef Alexander Wrabetz das am Donnerstag von seinen Stiftungsräten einstimmig beschlossene Ziel.

"Bezos braucht nicht unruhig werden"

Nachsatz: "In Österreich" solle der ORF auf diese Augenhöhe kommen – Amazon-Boss "Jeff Bezos braucht nicht unruhig werden". Und in Richtung der übrigen Medienhäuser in Österreich fügt Wrabetz noch an: Der ORF müsse digital nicht "größer als alle anderen sein".

Das ist er heute schon – mit ORF.at unter den österreichischen Sites in der Web-Analyse. Und der ORF ist dank 650 Millionen Euro GIS-Gebühren mehr als doppelt so groß wie die übrigen Verlags- und Medienkonzerne des Landes. Und wenn die internationalen Digitalriesen Google, Facebook und Co in Österreich mit Werbung rund eine Milliarde Euro einnehmen dürften, liegen sie damit ziemlich exakt auf Augenhöhe mit einer Milliarde Gesamtumsatz des ORF.

GIS für Streaming

Kernstück der digitalen ORF-Strategie ist die für 2021 geplante Streamingplattform ORF-Player. "Mittelfristig" hofft Wrabetz, dass auch für Streaming GIS-Gebühr fällig wird. Sparten wie Kinderprogramm und Sport abseits der Premiumklasse wie heute in ORF Sport Plus will Wrabetz mehr und mehr aus dem linearen TV in diesen Player verlagern. FM4 und Ö1 sollen verstärkt auf Podcast- und Streamingformate setzen, zusätzlich zu ihren klassischen Radioprogrammen.

Das ORF-Strategiekonzept macht nun Social Media quasi offiziell zur "dritten Säule" des ORF-Angebots neben linearen Kanälen wie ORF 1, ORF 2 und ORF 3, wie Ö3 und den ORF-Regionalradios sowie als zweiter Säule der digitalen "Plattform", also ORF.at und dem künftigen Player.

Das Strategiepapier betont auch die Verantwortung des ORF für den Medienstandort und die übrigen Player. Kooperation, gemeinsame Vermarktung und Archivzugriff für Private nennt Wrabetz da. Der Zugang soll der Medienpolitik mehr digitale Möglichkeiten für den ORF erleichtern. Hebe sie lediglich die Sieben-Tage-Beschränkung für Abruf auf, wäre das "nur schade um die Zeit". Es brauche "schon einen größeren Schritt" – insbesondere die Möglichkeit, alleine für das Netz zu produzieren.

"Dancing Stars" auch 2021, Gehaltsabschluss und Corona-Prämie, Unterhaltungschef

  • Player-Budget. Die gesamten ORF-Aufwendungen für alles Digitale 2021, also auch ORF On, Teletext und die TVthek, sind laut Wrabetz mit 33 Millionen Euro budgetiert. Über das Budget des ORF-Players machte er am Donnerstag unterschiedliche Angaben. Zunächst sprach er von zehn Millionen, später von 15 Millionen im Vollausbau und im kommenden Jahr sieben bis acht. ORF-Aufsichtsräten wiederum nannte Finanzdirektor Andreas Nadler vor wenigen Wochen noch sechs Millionen 2021 für den Player. ORF.at, das in den 33 Millionen Digitalbudget enthalten ist, kommt derzeit auf knapp 20 Millionen Jahresbudget.
  • Totalveränderung in Technik, großer Kulturwandel in der Produktion. Auf dem Weg zum Plattformunternehmen kündigt Wrabetz eine "Totalveränderung" in der ORF-Technik an, von der Rundfunktechnologie zur IT. Das bedeute auch einen "großen Kulturwandel" in der Produktion von Inhalten.
  • Neuer "ZiB"-Newsroom. Der neue multimediale ORF-Newsroom auf dem Küniglberg steht inzwischen und hat auch ein Dach, die Verglasung könnte Corona-bedingt noch ein bisschen länger dauern. Bis 2022 soll er besiedelt sein, wie auch die neuen Räumlichkeiten für Ö3 und Ö1 auf dem Küniglberg. Mit dem Newsroom kommt auch ein neues "Zeit im Bild"-Studio mit automatisierten Kameras und "noch tolleren" (Wrabetz) Vidiwalls. Einen groben Vorgeschmack auf dieses neue Studio lieferte Wrabetz in seiner Präsentation, einen noch weit gröberen Vorgeschmack zeigt dieses Paparazzo-Foto davon:
Paparazzo-Bild eines künftigen "ZiB"-Newsrooms in der Präsentation von ORF-General Alexander Wrabetz am Donnerstagabend im Sitzungssaal des ORF-Stiftungsrats (dessen Beleuchtung sich rechts noch in den Fenstern spiegelt).
Foto: fid
  • ORF-Gehaltsabschluss und Corona-Prämie. Beim Gehaltsabschluss ist der Betriebsrat der Geschäftsführung entgegengekommen, sagt Wrabetz – das sei einer von vielen Beiträgen zum ausgeglichenen Ergebnis in Corona-Zeiten. Die Gehaltsverhandlung brachte für die ORF-Mitarbeiter zwar eine Erhöhung der Gehälter um 1,5 Prozent, jedoch tritt diese erst Anfang 2022 in Kraft. Die Mitarbeiter erhalten aber noch heuer eine Einmalzahlung von 525 Euro sowie eine Corona-Prämie von 575 Euro.
  • Personalsparen. Abgeschlossen wird im kommenden Jahr das Spar- und Strukturprogramm, wenn rund 120 Personen in Pension gehen und nicht nachbesetzt werden. Bis 2025 gehen laut Wrabetz rund 20 Prozent der Mitarbeiter in Pension. "Das ist nicht mehr wie bisher primär eine Chance für Kostenreduktion, sondern eine Chance für Veränderung." Ein guter Teil müsse in neue Mitarbeiter investiert werden.
  • Werbung 2020 beinahe im Plan. Die ORF-Werbetochter Enterprise hat in den vergangenen Wochen offenbar weiter aufgeholt: Vor wenigen Wochen noch berichteten Wrabetz und Finanzdirektor Nadler, die Werbeumsätze 2020 würden voraussichtlich bei 200 Millionen Euro liegen und damit knapp elf Millionen unter dem vor Corona und Lockdowns erstellten Finanzplan. Nun liegt die Prognose für 2020 nur noch 5,3 Millionen unter dem Planwert – das müssten nun 205,5 Millionen Euro sein.
  • Unterhaltungschef. Der Vertrag von Alexander Hofer soll verlängert werden. Schließlich sei Hofer ein "hervorragender Unterhaltungschef", der sich zuletzt etwa mit einer Corona-sicheren Produktion von "Dancing Stars" hervorgetan habe. "Ich werde ihn bitten, dass er den Job noch eine Zeit weitermacht", kündigte der Generaldirektor an.
  • The Shows must go on. Die 14. Staffel der "Dancing Stars" soll 2021 als Herbstevent in ORF 1 über die Bühne gehen, im Frühjahr kommt wie berichtet eine Neuauflage von "Starmania".
  • "Gute Nacht Österreich" Die Late-Night-Satireshow erhält wie berichtet einen neuen Sendeplatz in der Freitagnacht. Dort habe die Show mit Peter Klien künftig einen "guten Vorlauf", was beim bisherigen Sendeplatz Mittwochnacht nicht immer der Fall gewesen sei. "Der bescheidene Erfolg hängt, fürchte ich, aber nicht nur mit dem Vorlauf zusammen, sondern auch mit der Art der Sendung", sagte Wrabetz. Er hoffe, dass sich die Sendung weiterentwickle und Klien weiter zu sehen sein wird – auch on air. ORF-1-Chefin Lisa Totzauer sieht sie eher im ORF-Player. Der aktuelle TV-Vertrag läuft nur noch bis Ende Jänner.

Generalswahl am 10. August

Das Datum für die Generalsbestellung hat der Stiftungsrat am Donnerstag mit 10. August 2021 fixiert. Wrabetz sagt noch nicht, dass er dann noch einmal antritt. Das einstimmige Votum der Stiftungsräte zu Strategie und Budget könnte ihn dazu motivieren.

Die Zustimmung kam von denselben 35 Stiftungsräten, die den nächsten ORF-Chef bestellen, mit bürgerlicher Mehrheit. Bis auf Unternehmer Hans Peter Haselsteiner. Er macht sein Neos-Mandat frei für eine ungenannte internationale Medienexpertin – wie zum Beispiel Anita Zielina (City University of New York, früher NZZ, Stern.de, STANDARD). (fid, APA, 4.12.2020)