Mehr Platz für sich selbst: meistens eh ganz gut, auf Dauer und erzwungen aber nicht.

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Du gehst mir ab." Einer der wundervollsten, beglückendsten Sätze. Vielleicht nicht ganz so korrekt, wie die Sprachpolizei das gerne hätte. Aber dafür Ausdruck größtmöglicher spontaner Wertschätzung in der Firma. (Privat sowieso, eh klar.) Wenn Kolleginnen und Kollegen das aussprechen – oder auf der Zunge haben –, dann ist eigentlich alles gut im Betriebsklima. Bei all dem Stress, den Unstimmigkeiten, Ungerechtigkeiten, all den Problemen und überhaupt dem ganzen Ärger.

"Du gehst mir ab" ist eigentlich recht intim. Aber es ist doch so. Mir gehen die ab, die mich öfters nerven. Mir gehen die ab, die wenig reden und meistens nur in ihren Schirm gucken und auf die Tastatur hämmern. Mir gehen die ab, die dauernd etwas wollen. Mir gehen aber auch die ab, die nie etwas wollen, die aber immer da waren im Gehäuse Büro, an denen ich mit einer Geste, einem Nicken vorbeigetrabt bin oder nur mit dem Postberg im Arm im Vorübergehen "Uff!" gesagt habe.

Wir gehen einander ab. Wir fehlen einander, korrekter ausgedrückt. Viele von uns vereinsamen. Viele sind überaktiv im Halten von Kontakten und schreiben permanent Mails oder Chatnachrichten à la "Ich hoffe, du bist gesund ...". Was soll man denn da antworten? "Ja, negativ getestet, aber sonst weiß ich es nicht" – oder wie? Es ist komplizierter geworden, auch mit den Arbeitsbeziehungen.

Tatsächlich brauchen wir aber alle, egal in welcher Lage wir sind, Trost. Das sagte vor wenigen Tagen die Empfangsschwester im Franziskusspital zu mir, als ich bei ihr für meine Schwiegermama ein Sackerl mit ein paar netten Dingen abgab. Besuche sind ja nur alle fünf Tage möglich.

Sie hat recht. Auch wer nicht ohne Familienbesuch hospitalisiert ist, auch wer nicht arbeitslos ist, auch wer nicht probieren muss, den Job mit Homeschooling der Kids irgendwie zu vereinen, auch wer nicht gerade ahnt, dass seine Firma pleitegehen wird, braucht Trost. Und Trost heißt ja immer, dass etwas da ist, an dem man sich festhalten kann, etwas, das erfreulich und bestärkend ist.

Es wurde uns zwar im Arbeitsleben abgewöhnt, "emotional" zu sein (ist ja eher weiblich, weniger Hard Business), aber gerade jetzt erweist sich die vielgelobte Businesskälte (unangreifbar, autark, stark) als mörderisch. Für die Psyche, für den Menschen.

Jetzt ist die Zeit, auszusprechen, dass wir einander fehlen. Nicht als Kuschelkurs, sondern als ausgesprochener Satz dafür, dass wir zusammengehören. Wer damit beginnt und sich traut, hat gewonnen. Auch ein differenziertes Feedback über sich selbst. (kbau, 5.12.2020)