Immer nur das Smartphone dabei, dauernd gamen – damit sind Junge aufgewachsen. Die Lehr- und Lernmethoden gehen meistens direkt daran vorbei.

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Die Leitmedien der 15- bis 19-Jährigen sind Umfragen zufolge Whatsapp und Instagram. Informationen holen sie sich von Youtube, Wikipedia und Tutorials im Netz. Dabei lassen sie sich am liebsten von Freunden unterstützen. Gleichzeitig ist die Aufmerksamkeitsspanne auf rund acht Sekunden gesunken. Ist das gut oder schlecht? Konstantin Mitgutsch findet die Frage falsch, "weil es einfach so ist. Digitale Medien erfüllen die Bedürfnisse der Jungen. Wenn wir sie schlechtmachen, dann werten wir gleichzeitig die Bedürfnisse ab."

Er rüttelte in dieser Woche damit gewaltig an den gängigen Lehr- und Lernkonzepten der beim diesjährigen Lehrlingsforum des Business Circle digital versammelten Ausbildner und Personalverantwortlichen. Mitgutsch hat am MIT geforscht und entwickelt nun mit seinem Unternehmen Playful Solutions Spiele als Lernräume. Mittlerweile auch für Unternehmen (etwa für Siemens), die nach wirksamen Wegen suchen, ihre Lehrlinge zum Lernen zu motivieren. Spielerisch eben statt wie klassisch aus dem Schulunterricht bekannt. Mitgutsch: "Schule wird von Jugendlichen als eher museal empfunden, wie ein Museumsbesuch im Naturhistorischen." Freudvoll besetzt sei das jedenfalls kaum, motivationsfördernd ebenso wenig.

Wozu lernen?

Denn, gibt Mitgutsch zu bedenken, die Jugendwertestudie 2020 zeige, wie das Lebensgefühl dieser Jungen ist: voller düsterer Zukunftssicht, wenig auf die Zukunft vertrauend und deswegen möglichst orientiert am Jetzt und am Hedonismus, an der Ästhetisierung des Körpers und des Lebens. Mitgutsch: "Da stellt sich akut die Frage: Ich soll etwas lernen – wozu? Was wird dann aus mir, mit mir, in fünf oder zehn Jahren?"

Da wir alle nicht wüssten, wie der Jobmarkt und das Arbeitsleben in zehn Jahren aussehen, funktioniere die Karotte der Vorgängergenerationen, wonach man eben investieren und sich anstrengen müsse, damit es später sicher klappe, nicht mehr.

Daher, so der Gamification-Experte, gelte es grundsätzlich beim Gefühl der Selbstwirksamkeit der Jungen anzusetzen. "Mein Handeln bewegt etwas, die Welt reagiert auf mich." Und zur Frage nach dem Wie ist er natürlich beim spielerischen Zugang.

Denn Spiele seien den Jungen bestens bekannt: Sie sind eine Challenge, keine Überforderung, keine Unterforderung. Sie machen Spaß und sind nicht fad, man kippt rein, statt sich zu langweilen, man sieht und kennt die Ziele, und man darf Fehler machen und aus ihnen lernen oder noch einmal von vorn beginnen. Zudem ist man selbst in Rollen statt in Starre und generiert Perspektiven, man darf experimentieren und seine eigenen Wege finden, statt belehrt zu werden.

Jetzt Neues wagen

Jetzt müsse aufgebrochen werden, was "eh nicht mehr passt". Mit der Digitalisierung und angesichts des Lebensgefühls der Jungen gehe es da zentral auch um neue Sinnfragen. Mitgutsch: "Es geht jetzt wirklich darum, Ausbildung ganz neu zu denken, Lehrlinge stärker zu empowern. Wir wissen ja selbst nicht mehr, wohin wir diese Jungen punktgenau für die nächsten Jahre ausbilden sollen." (Karin Bauer, 7.12.2020)