Die 46-jährige Alexandra lebt mit ihren Zwillingstöchtern in Tirol.

Foto: ZB/Z1022 Patrick Pleul

An ihrem kinderfreien Tag ist Alexandra K. gestresst. Obwohl die 46-jährige Tirolerin beim Videogespräch allein zu Hause ist, spricht sie schnell. Nicht so, als müsse sie gleich zu einem Termin. Eher wie ein Mensch, der es gewohnt ist, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun – und dabei immer ein Auge auf die Kinder zu haben.

Vielleicht ist es einfach Gewohnheit. Denn Alexandra ist Psychologin, aber auch seit acht Jahren alleinerziehende Mutter von Zwillingen. Die sind beim Gesprächstermin gerade bei ihrem Vater. Im Gespräch kommt Alexandra, die anonym bleiben möchte, immer wieder auf die beiden elfjährigen Mädchen und ihre Probleme mit Corona zu sprechen. Die Kinder sind präsent, auch wenn sie gerade nicht da sind.

Endlich entspannen

"Gerade ist es brutal stressig. Ich muss arbeiten und beide Kinder im Homeschooling unterrichten. Eine geht aufs Gymnasium, die andere auf die Neue Mittelschule. Normalerweise kümmere ich mich um die Hausaufgaben der beiden. Aber jetzt muss ich den Tag der beiden strukturieren. Das heißt: schauen, dass zwei Laptops da sind, dass zwei Laptops funktionieren – mit allen Programmen. Das klappt oft nicht.

Ständig frage ich mich: Passt das alles mit ihren Onlinemeetings? Machen sie ihre Hausübung? Verstehen sie alles? Haben sie was Gescheites gegessen? Es ist so anstrengend, dass ich neulich gedacht habe: Ich bin krank, endlich kann ich entspannen. Die Kinder waren dann bei ihrem Vater. Dieses Kinderfrei habe ich echt gebraucht. Ich habe dann nur geschlafen.

Psychische Belastung für die Kinder

Wenn ich arbeite, komme ich abends gegen halb sechs nach Hause. Zwischendrin gehe ich einkaufen. Den Haushalt muss ich auch machen. Dann muss ich kochen. Ich muss aber auch schauen, was inzwischen bei den Kindern passiert ist. Gegen neun gehen die beiden Mädchen ins Bett. Meistens gehe ich dann auch hundemüde schlafen. Ich packe es dann einfach nicht mehr. Dass man wegen des Lockdowns abends nicht rausgehen soll, habe ich gar nicht mitbekommen, weil ich ohnehin daheim bin.

Corona ist aber nicht nur für mich schwierig. Es belastet auch meine Töchter psychisch. Eine bekommt jetzt professionelle Unterstützung. Das wird dann zwar von der Krankenkasse gezahlt. Aber bis wir draufgekommen sind, was sie hat, waren viele Termine notwendig. Das hat alles mehrere hundert Euro gekostet.

Schule verlangt mehr

Meine größte Sorge ist gerade, dass diese Tochter abgehängt wird. Dass sie nicht mehr die gleichen Chancen hat wie meine andere Tochter. Als der zweite Lockdown kam, dachte ich kurz: Super, dann ist meine Tochter daheim. Dann kann ich mich um sie kümmern. Aber neben der Arbeit ist das einfach zu viel.

Ich habe auch das Gefühl, die Schule verlangt jetzt im zweiten Lockdown mehr: mehr Meetings, mehr Onlinepräsenz, mehr Hausübungen. Auch meine andere Tochter, die eigentlich sehr selbstständig lernen kann, tut sich da schwer.

Finanzielle Entlastung

Dabei denke ich ständig: Wir haben Glück. Wir haben ein starkes soziales Netz. Ich arbeite nur halbtags. Wenn ich Vollzeit arbeiten würde, von acht bis fünf? Ich glaube, ich würde durchdrehen. Ich bin Akademikerin. Das heißt, meine Kinder wachsen in einem gebildeten Haushalt auf. Wir können uns auch die Laptops für die beiden leisten. Wenn ich diese Ressourcen nicht hätte: Meine Kinder würden untergehen.

Ich würde mir finanzielle Entlastung für Alleinerziehende wünschen. Unterhaltsvorschüsse, Hilfe vom Sozialamt: Das muss einfacher und schneller gehen. Da geht es um ein paar hundert Euro im Monat für die betroffenen Familien. Das sind keine großen Beträge. Aber für viele Alleinerziehende nimmt das die Existenzangst.

Überhaupt machen oft schon Kleinigkeiten die Situation besser. Dass man füreinander da ist. Dass man einander Wege abnimmt und etwa einkaufen geht. Ich frage meine Mutter nicht gern um Geld. Aber ich weiß genau, wenn es hart auf hart kommt: Da ist jemand, der mir Geld leiht. Ich bin in einer privilegierten Situation. Ich kenne genug Alleinerziehende, wo das anders ist. Die haben zwar auch gute Ausbildungen. Aber die Streitereien mit den Ex-Partnern, die laufenden Gerichtsverfahren, dass Alimente nicht gezahlt werden: Das belastet viele. (Ana Grujić, 11.12.2020)