Mit anderen Leuten über das Thema Kiffen zu reden ist immer eine heikle Angelegenheit. Denn es kommt ganz auf die verschiedenen Perspektiven an, wie dieses Gespräch verläuft. Entweder es ist ein weltoffener Erfahrungsaustausch oder auch ein ahnungsloses und einseitiges Ausfragen, oder aber ein Gespräch kommt vor lauter Unverständnis gar nicht erst zustande. Bei Ute Woltron, Journalistin und Gärtnerin, ist spätestens nach ihrem Buch Hanf – Ein Portrait klar, wohin der Weg führt.

STANDARD: Frau Woltron, auf einer Skala von eins bis zehn, wie gut können Sie einen Joint bauen?

Woltron: Wenn zehn das Optimum darstellt, dann stecke ich immer noch bei acht fest, aber es hat sich gebessert. Die ersten Versuche waren eher fiaskös. Ich habe die Joints zum Glück die längste Zeit nicht selber gedreht, sondern nur an herumgereichten Tüten teilgehabt. Den ersten eigenen habe ich erst mit, jetzt muss ich kurz überlegen, 48 Jahren gebaut, es war eine Art länglicher Heuhaufen.

STANDARD: Wie ist die Reaktion bei Freunden und Familie, wenn man erzählt, dass man Hanf im Garten hat?

Woltron: Die ersten Pflanzen waren im Gebüsch versteckt. Aber auf Dauer ist das albern, weil man sie auch riecht, sobald sie blühen. Die Reaktionen sind gemischt, es kommt immer darauf an, wie die Leute zum Thema Kiffen stehen. Aber das Verständnis ist heute deutlich größer als noch vor zehn Jahren. Ich habe die Pflanzen nur noch gelegentlich verräumt, etwa als mein alter Lateinprofessor mit seiner Gattin vorbeikam, um meinen Garten zu besichtigen. Den wollte ich nicht schockieren.

Foto: Heribert Corn

STANDARD: Der erste Hanf in Ihrem Garten war ja nicht zum Rauchen, sondern ein Nutzhanf, wenn ich das richtig verstanden habe.

Woltron: Genau, ich denke, ein Vogel hat ihn auf dem Weg verloren. Es war eindeutig ein Faser- oder ein Futterhanf. Er war irrsinnig lang und hoch, der Stamm stark, fast wie ein Baum.

STANDARD: Und den haben Sie trotzdem geraucht?

Woltron: Ja, wir haben ihn den Sommer lang betrachtet und gegossen, nicht wissend, dass lediglich die Blüten das Ziel des Growers sind. Dann haben wir allen Ernstes die Blätter getrocknet und geraucht – eine Niederlage, die im Hals kratzte und keinerlei Ähnlichkeit mit dem Cannabis-Aroma aus der "wilden Zeit" unserer Jugend aufwies.

STANDARD: Wie muss man sich das im Geschmack und in der Konsistenz vorstellen?

Nach dieser Frage ist es kurz still. "Jetzt sagen Sie bitte nicht, dass Sie noch nie gekifft haben", fragt Woltron. Natürlich, antworte ich selbstbewusst, nur sei eben noch kein Futter- oder Faserhanf dabei gewesen, sage ich. "Glaube ich zumindest." Die Erleichterung auf der anderen Seite des Hörers ist spür- und hörbar.

Woltron: Etwa so, als ob man die Blätter eines Marillenbaums trocknet und raucht, also widerlich.

STANDARD: Warum hat diese Droge so einen schlechten Ruf, obwohl sie nachweislich harmloser ist als Alkohol?

Woltron: Weil die wissenschaftliche Erforschung der Pflanze erst seit jüngster Zeit erfolgt. Es wurde jahrzehntelang vor Hanf als Einstiegsdroge gewarnt, und sogar Studien waren, zumindest in den USA, per Gesetz verboten. Das wurde uns seit den 1930er-Jahren gnadenlos eingehämmert. In meiner Jugend galten "Kiffer" als Abschaum. Aber ich hatte immer schon den Eindruck, dass es mir nach einem Achtel Rot schlechter ging als nach ein paar Zügen an einem Joint. Man muss aber dazu sagen, ich war in einer Zeit jung, in der es, vor allem in meiner Gegend, ein massives Heroinproblem gab. Da war die Graskultur noch unterentwickelt, man bekam nur den gepressten Shit, und da wusste man nie, was drinnen war. Und dass es illegal war und ist, reicht ja schon, um Gutbürger abzuschrecken.

STANDARD: Sie zitieren in Ihrem Buch viele Künstler, die regelmäßig kiffen und trotzdem an dieser Frage scheitern: Warum ist es so schwer, ein High zu beschreiben?

Indischer Hanf, im Fachterminus Cannabis indica, dessen Rausch schläfrig macht.
Foto: Falk Nordmann

Woltron: Ich glaube, der großartige Effekt eines gepflegten Highs besteht darin, für Momente durch einen winzigen Riss im Gewebe der normalen Wahrnehmung blicken zu können, eine Kleinigkeit über gewöhnliche Sinnesempfindungen hinauszugehen, und das kann ungemein kreativ sein. Das zu beschreiben fehlen die Worte, so wie für viele Gefühle. Wie beschreibt man einen Alkoholrausch? Auch nicht so einfach. Aber es gibt griffige Beispiele: Man hat etwa einen Song schon hunderttausendmal gehört, aber plötzlich versteht man manche Textpassagen erst richtig, wenn man high ist. Am besten probiert man es einfach selber aus.

STANDARD: Was genau ist der Unterschied zwischen dem hier legalen CBD und dem hier illegalen THC?

Woltron: Ganz einfach. Beides sind Cannabinoide. Das Harz der Pflanze enthält zumindest 100 unterschiedliche dieser Stoffe, die wenigsten davon sind entschlüsselt. THC war das erste, das 1964 isoliert wurde. Das ist einer der Inhaltsstoffe, die das High verursachen, im Gegensatz zu CBD, das nicht psychoaktiv wirkt.

STANDARD: Was steht der Entkriminalisierung von THC im Weg?

Woltron: Vor allem Unwissenheit. Ich glaube, dass es auch mit der Angst vor der sogenannten Bewusstseinserweiterung zu tun hat. Viele Leuten glauben immer noch, dass man rosa Elefanten sieht, wenn man einen Joint raucht. Das ist überhaupt nicht der Fall. Man wird lediglich lockerer, entspannter und, wenn man die richtigen Sorten konsumiert, auch wacher. Gutes Cannabis verursacht weder Visionen noch Halluzinationen, sondern eine gesteigerte Gefühlswelt.

STANDARD: Wie haben Sie persönlich die medizinischen Wirkungen der Pflanze mitbekommen?

Woltron: Ich leide mehrmals pro Woche unter Migräne und habe alles dagegen ausprobiert. Hanf war die einzige Therapie, die wirklich geholfen hat. Er erleichtert auch anderen Patienten das Leben, etwa bei multipler Sklerose oder Glaukom. Die Pharma-Industrie hat das zwischenzeitlich auch kapiert. Ich bin davon überzeugt, dass Hanf in der Medizin vor einem Comeback steht, allein schon aus dem Grund, weil damit viel Geld verdient werden kann.

STANDARD: Und als Rohstoff?

Woltron: In der Formkostabteilung bahnt sich das ja schon an, da gibt es Hanföl, Hanfkekse, was auch immer. Aber es ist schwer zu beurteilen, inwieweit die Landwirtschaft mitziehen wird. Faserhanf wächst sehr schnell und ist auch einfach zu ziehen. Doch Ernte und Verarbeitung sind aufwendig, auch weil es entsprechender Maschinen bedarf, deren Entwicklung seit dem Verbot der Pflanze vernachlässigt wurde. Da ist mit der Zeit sehr viel Wissen verlorengegangen.

Ute Woltron, "Hanf – Ein Por trait". € 20,60 / 159 Seiten. Matthes & Seitz, 2020

STANDARD: Warum sind synthetisch hergestellte Cannabinoide so gefährlich?

Woltron: Seit dem Beginn der Cannabis-Zucht, die mittlerweile eine eigene Wissenschaft darstellt, hat sich der THC-Gehalt in den Blüten massiv erhöht. Man kann die heutigen "Strains" mit den ursprünglichen Sorten der 1960er-Jahre kaum vergleichen. Doch auch hier befindet sich der THC-Gehalt noch in angemessenem Rahmen. Die Cannabinoide aus dem Labor sind wesentlich potenter und stärker und haben nachweislich bereits zu Todesfällen geführt, die es im Zusammenhang mit natürlichem Hanf nicht gibt. Noch nie ist jemand am Kiffen gestorben. Auch vor Extraktionsverfahren wie dem Shatter-Kochen, wobei man aus den Blüten mittels Flüssiggas das reine Harz gewinnt, ist zu warnen. Außerdem fliegen gelegentlich ganze Häuser in die Luft, wenn man mit dem geruchlosen Gas hantiert – und dann zündet sich jemand eine Zigarette oder einen Joint an.

STANDARD: Roger Willemsen hat einmal gesagt: "Sie wissen ja gar nicht, was dieses Gehirn könnte, wenn ich nicht kiffen würde." Was könnte Ihr Gehirn dann?

Woltron: Es wäre weiterhin von Migräne geplagt, verkrampft und schmerzerfüllt. Und so ist es meist entspannt und bereit zu funktionieren. (Thorben Pollerhof, ALBUM, 5.12.2020)