Diego prüft, ob Elli gut riecht. Elli untersucht das Kamerobjaktiv – ist das was zum Fressen?

Foto: Chris Fischer

Es ist noch nicht einmal hell geworden, und wir zerkugeln uns schon vor Lachen. Airedale-Terrier-Dame Fanni gibt uns keine Chance zum Luftholen: Immer wieder versucht sie, mit einem riesigen Stock im Maul zwischen zwei Bäumen durchzurennen, und kann offenbar nicht verstehen, warum sie immer wieder abprallt. Das schwarze Fräulein Elli (sieht aus wie ein Bardino, aber genau weiß man es nicht) hat offenbar auch keinen Durchblick, sie hebt die Ohren und schaut uns beim Lachen zu.

Aber Ablenkung naht – und das unmögliche Experiment endet abrupt: Von links sprintet der rote kleine Sockendieb Charly ("Sockenmörder", wie das Frauchen meistens sagt) heran, rechts wartet die weiße Schäferhündin mit spitzen Ohren.

Eigentlich Fremde, aber...

Weder Hunde noch Besitzerinnen sind die allerbesten Freunde, aber das spielt keine Rolle. Denn auf der Hundewiese herrschen eigene Gesetze, die auch der Lockdown II nicht aufhebt. Man grüßt einander, fragt nach dem werten Befinden der Vierbeiner, dem Heilungsprozess der schlimmen linken Hüfte, freut sich über gesunden Metabolismus der Tierchen (Gackisackerl ist selbstverständlich, zumindest für die allermeisten) und genießt die täglichen ungeplanten Playdates.

Aufregung ist immer inkludiert, denn wieder beginnt die Schäferhündin, die kleine Elli zu jagen. "Die muss halt einmal selbstbewusster werden", kommentiert die Besitzerin mit unbewegter Miene und geht weiter, ohne ihren Hund zu rufen, ignoriert das Gejaule. Es ist eben auch eine harte Schule für junge Hunde auf den 300.000 Quadrat metern der größten Wiener Hundefreilaufwiese im Wiener Prater.

Springen, bellen, wedeln

Ablehnung zu akzeptieren ist ins Training hier inkludiert, denn der Labrador Bruno wird von Elli als ausgesprochen attraktiv erkannt, interessiert sich aber nur für seinen Ball. Jeden Tag dasselbe. Aber für die Besitzerinnen ist es schön, gerade jetzt!, einander täglich zu sehen und zuzuwinken, liebe Grüße zu rufen und kurz die Wetterlage zu kommentieren. Ein paar nette Worte muss man hier nicht planen, ein Viertelstündchen Geduld und der Tagesanbruch bringen Spielgefährten für den Hund und belanglose, aber liebe Gespräche für den Halter.

Für das Album während des Lockdown: die Hundewiese macht´s möglich.
Foto: Chris Fischer

Jetzt fetzt die Fritzi (die Hündin, Double Doodle) daher und springt – wie immer – an mir hoch. Ihre ausgesprochen sportliche Besitzerin Barbara wirkt im Vergleich zu dieser Rakete langsam, winkt heute dafür umso herzlicher und schreit schon von weitem: "Wie geht’s?" "Super, danke!" Mir macht es nichts aus, dass Fritzi springt, ich halte mich an den "Dresscode Hundewiese": altes warmes Zeug, feste Schuhe. Oft erkennen wir von der Hundewiese einander in der Stadt gar nicht, weil dort plötzlich: Frisur, Tasche, Lippenstift und all das Innenstadtzeugs.

Alltagswissen frei Haus

Im Verlauf der mindestens zwei Hunderunden täglich erfährt man über die Jahre einiges von den Stammgehern. Quasi 300.000 Quadratmeter voller Expertise für alles: Kinder- und Hundeerziehung. Anzahl der zerbissenen Socken. Dauer des Ausräumens eines Blumentopfes. Neue Spiele für die Hunde daheim und – ja – gute Ideen für den Hundeadventkalender, kein Witz. Alles von Menschen, die man kaum kennt. Man merkt sich ja eher die Hunde auf der Hundewiese.

Jetzt, im Lockdown, fühlen sich die Hundebesitzer privilegiert – weil sie raus müssen, egal ob kalt, windig, warm oder Dauerregen. "Das tut mir so gut", sagt eine seit Jahren hinkende ältere Dame. Sie hat ihre zwei Wauwaus vor dem Tierheim gerettet und sieht nichts lieber als ein Knäuel Hundsi, die toben und spielen. "Die pure Lebensfreude, etwas Schöneres gibt’s nicht."

Gelegentlich gibt es auch ein Intermezzo in diesem Hundehimmel auf Erden. Jogger ohne Hund werden gerne angekläfft. Vom Tier – und auch schon einmal vom Besitzer: "Renn woanders!" (Karin Bauer, 19.12.2020)