Viktor Orbán steht im Dauerkonflikt mit der EU. Kritiker werfen ihm den Abbau von Demokratie in Ungarn vor.

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Budapest – Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat ein neues Thema für Kritik an der EU gefunden. Mit Bezug darauf, dass in der EU, anders als in Großbritannien, noch kein Impfstoff gegen das Corona-Virus zugelassen wurde, sagte Orbán : "Wer (aus der EU) ausgetreten ist, geht seinen eigenen Weg, sucht eigene Lösungen, kann die Gesundheit und das Leben seiner Bürger schneller schützen als wir, die wir (in der EU) dringeblieben sind".

Vor Kurzem hat die britische Arzneimittelaufsicht MHRA als erste Behörde weltweit dem von Biontech und Pfizer entwickelten Corona-Impfstoff eine Notfallzulassung erteilt. Dies bezeichnete Orbán als "Ohrfeige" für die EU.

Dauerkonflikt mit EU

Orbán steht im Dauerkonflikt mit der EU. Seine Kritiker werfen ihm vor, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Ungarn abzubauen. Zusammen mit Polen blockiert Ungarn derzeit Entscheidungen zum EU-Haushalt und zu milliardenschweren Corona-Konjunkturhilfen, weil die EU für die Geldverteilung die Einhaltung von Rechtsstaatsnormen zur Bedingung machen will.

Die beiden rechtskonservativ regierten Staaten stoßen sich genau daran, dass die Auszahlung der Corona-Gelder an Rechtsstaatsprinzipien geknüpft werden soll, beispielsweise die Unabhängigkeit von Justiz und Medien. Das wollen die anderen EU-Länder jedoch durchsetzen. Auch Polen und Ungarn, die seit Jahren wegen ihres Umgangs mit Justiz und Medien in der Kritik stehen, sollen Gelder aus dem Corona-Hilfstopf erhalten.

Ungarn besteht auf Trennung

Ungarn beharrt darauf, das Finanzpaket vom Rechtsstaatlichkeitsprinzip zu trennen. Eine gesonderte Erklärung der Europäischen Union zur Rechtsstaatlichkeit, wie sie Polen vorgeschlagen hat, sei für Ungarn inakzeptabel, meint Orbán . Am Donnerstag hatte sich Polen zu einem Verzicht auf ein Veto bereit gezeigt, wenn die EU eine Erklärung zur Rechtsstaatlichkeit abgibt.

Der stellvertretende Ministerpräsident Jaroslaw Gowin sagte nach einem Treffen mit Vertretern der EU-Kommission, es sei klar, dass das Veto auch seinem Land schaden würde. Seine Regierung könne statt einer Änderung der Regeln zur Rechtsstaatlichkeit auch eine Erklärung der EU-Mitgliedsstaaten akzeptieren, dass diese nur bezüglich der korrekten Verwendung von EU-Geldern greife.

1,8 Billionen Euro

Es geht um das insgesamt rund 1,8 Billionen Euro schwere und über sieben Jahre laufende Finanzpaket, zu dem auch der Corona-Wiederaufbaufonds mit einem Umfang von 750 Milliarden Euro gehört. Vor allem der Wiederaufbaufonds wäre dringend benötigt. (APA, red, 4.12.2020)