Die ersten Impfungen gegen Covid-19 stehen kurz vor der Zulassung.

Foto: Imago/Hans Lucas

Sie tragen kryptische Namen wie BNT162b2, mRNA-1273 oder AZD1222, und sie tragen zur Hoffnung bei, die Pandemie bald Geschichte werden zu lassen. Die ersten Corona-Impfstoffe sind auf der Zielgeraden. Doch nach der Zulassung startet das wohl größte Logistikprojekt der Menschheitsgeschichte: Wie impft man 7,8 Milliarden Menschen? Und wen zuerst? Die Zahlen zum Befreiungsstich.

Grafiken: Fatih Aydogdu

Die Wirkung

Rund 95 Prozent Wirksamkeit versprechen die hoffnungsvollen Impfstoffkandidaten von Biontech und Moderna. In der Realität und mit statistischen Schwankungen entspricht das einer Wirksamkeit von 87 Prozent, wie Pharmakoepidemiologe Stephan Evans erklärt – immer noch eine hervorragende Wirksamkeit. Die Grippeimpfung, die jedes Jahr wieder angepasst werden muss, erreicht viel geringere Wirksamkeiten. Zuletzt lag sie bei 62, in der Saison davon bei 38 Prozent.

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Je wirksamer die Impfung ist, desto geringer muss logischerweise die Durchimpfungsrate für eine Herdenimmunität sein. Einer Simulation zufolge reicht es bei einer Wirksamkeit von 80 Prozent, wenn sich sechs von zehn Menschen impfen lassen – wenn eine Impfung tatsächlich Infektionen verhindert, wovon aktuell (noch) nicht auszugehen ist.

Grafiken: Fatih Aydogdu
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Die Ersten

Die ersten Corona-Impfstoffe sollen vor allem eines tun: schwere Verläufe von Covid-19 und Todesfälle verhindern. Da vor allem alte Menschen und solche mit Vorerkrankungen betroffen sind, sind diese in der österreichischen Impfstrategie priorisiert. In der ersten Phase sollen Bewohner und Mitarbeiter von Altersheimen, Gesundheitspersonal sowie Hochrisikogruppen geimpft werden, danach über 65-Jährige und systemkritisches Personal. Erst im zweiten Quartal 2021 kann sich jeder und jede in Österreich bei Hausärzten und Impfstraßen impfen lassen.

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Die Normalität

Wer seine Masken bereits wegwerfen wollte, muss enttäuscht werden: Ob es nach einer Impfung zu einer sogenannten sterilen Immunität kommt, ist noch ungeklärt. Es ist daher möglich, dass auch eine geimpfte Person weiter ansteckend ist. Bis eine kritische Anzahl an Menschen geimpft ist, bleibt die "neue Normalität" mit Abstand und Masken also wohl noch aufrecht.

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Die Logistik

Innerhalb von Stunden nach der Zulassung könne der Impfstoff ausliefert werden, sagt Biontech. Die Logistik ist aber nicht gerade trivial: RNA-Impfstoffe, die besonders schnell produziert werden können, müssen bei extremen Temperaturen bis zu minus 70 Grad gelagert werden. In einer eigens von Pfizer konstruierten Transportbox hält der Impfstoff zwei Wochen lang, bei Plusgraden nur wenige Tage. Vektorimpfstoffe wie jener von Astra Zeneca halten auch normale Kühlschranktemperaturen aus.

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Die Verteilung

Während Deutschland bereits rund 400 neue Impfzentren plant, will Österreich in der dritten Phase auf Haus- und Betriebsärzte setzen. Diese hätten bereits den Kontakt zu den Patienten, nach Anmeldung könne der aufgetaute Impfstoff über die normale Arzneimittellogistik "just in time" an die Praxen geliefert werden, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Impfstraßen werden nicht zentral, sondern von den Gemeinden geplant.

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Die Skeptiker

Der beste Impfstoff ist wirkungslos, wenn er nicht verimpft wird. Nur rund die Hälfte der Menschen in Österreich will sich gegen Covid-19 impfen lassen, 60 bis 70 Prozent wären für eine Herdenimmunität notwendig. Studien haben gezeigt, dass "Opt-out" statt "Opt-in" die Teilnahme erhöhen könnte. Dabei erhalten alle automatisch einen Termin – mit der Möglichkeit, ihn zu verschieben.

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Die Preisfrage

Ob die Impfung fünf, zehn oder sechzig Euro kosten wird, ist eigentlich irrelevant. Denn jede Alternative kommt der Wirtschaft und auch dem Staat teurer. Laut IHS kostet eine Woche Lockdown rund 1,5 Milliarden Euro – ein Vielfaches der teuersten Impfung für alle Menschen in Österreich. Kein Wunder also, dass Staaten sich bis zur Decke mit Impfstoffen einzudecken versuchen.

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Aber es sind vor allem die wohlhabenderen Nationen, die den Markt leergeräumt haben. Die EU und fünf weitere Staaten, in denen nur 13 Prozent der Weltbevölkerung leben, haben bereits die Hälfte der Produktionskapazitäten geordert. Kanada führt mit neun Dosen pro Einwohner, von denen das Land aber etwas abgeben will. Auch die EU, China und das von der WHO mitinitiierte Projekt Covax wollen Staaten, die beim Run auf den Impfstoff leer ausgingen, unter die Arme greifen.

Das Duke Global Health Innovation Center schätzt aber trotzdem, dass viele ärmere Länder noch bis 2023 oder 2024 auf ihre Impfungen warten müssen. (Philip Pramer, 5.12.2020)