Großbritannien hat für die rasche Zulassung des Corona-Impfstoffes von Pfizer und Biontech viel Applaus erhalten, aber auch so manche Kritik einstecken müssen, etwa vom hochangesehenen US-Immunologen Anthony Fauci. Jede Entscheidung in Bezug auf die Pandemie ist mit Risiko behaftet. Aber das Vorgehen der britischen Beamten scheint aus heutiger Sicht richtig zu sein und das langsamere Vorgehen der EU-Arzneibehörde EMA ein Fehler.

Großbritannien startet mit der Impfung gegen Corona.
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Das britische Vorgehen ist nicht mit dem von Russland zu vergleichen, das einen kaum getesteten Impfstoff auf den Markt geworfen hat. Pfizer und Biontech haben ihre Vakzine hervorragend dokumentiert, diese ist wirksam und weist keine Nebenwirkungen auf. Die Briten haben auch nicht gegen EU-Regeln, denen sie trotz des Brexits bis Jahresende unterworfen sind, verstoßen. Eine solche Notzulassung steht allen EU-Mitgliedsstaaten frei, diese haben bloß freiwillig darauf verzichtet.

Deshalb ist die Frage, ob etwa Druck von Premier Boris Johnson bei der Zulassung eine Rolle gespielt hat, nicht entscheidend. Der Schritt ist politisch und wissenschaftlich vertretbar – und könnte zahlreiche Menschenleben retten.

Zeitplanung

Bereits kommende Woche wird in Großbritannien die Immunisierung eines Teils des Gesundheitspersonals starten, bis Jahresende kann sie abgeschlossen sein. In den USA wird über die Zulassung am 10. Dezember entschieden, in der EU überhaupt erst am 29. Dezember, vier Wochen nach dem britischen Beschluss. Und dann müssen noch die nationalen Behörden nachziehen. Die Union verliert im Kampf gegen Covid gegenüber dem Brexit-Staat mehr als einen Monat.

In dieser Zeit sind keine neuen Erkenntnisse über den Impfstoff zu erwarten. Allfällige Lücken in seiner Wirksamkeit oder längerfristige Schäden werden erst später sichtbar werden. Die Zeitplanung der EMA, die ihr entscheidendes Treffen sogar um eine Woche verschoben hat, ist nicht von besonderer Sorgfalt getrieben, sondern von den Gesetzen der Bürokratie. In normalen Zeiten mag dies verständlich sein, nicht aber inmitten einer katastrophalen Pandemie.

Das Warten wird auch das Vertrauen der Menschen in den Impfstoff nicht stärken. Wer Medizinern und Behörden nicht traut, wird sich auch ein paar Wochen später nicht impfen lassen. Aber all jene Europäer, die endlich ihr Leben zurückhaben wollen, müssen länger ausharren als notwendig. (Eric Frey, 4.12.2020)