Die Schöffen wurden natürlich nie fotografiert. Sie nahmen drei Jahre lang auf den Stühlen ganz rechts außen im Bild Platz.

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Es war für alle Eventualitäten vorgesorgt. Mit zwölf Schöffen hatte der Buwog-Prozess begonnen, zum Schluss waren es noch fünf Laienrichter, um drei mehr, als die Strafprozessordnung (StPO) vorschreibt. Sieben sind also im Lauf der drei Jahre ausgeschieden, die letzte Schöffin verließ den von der Vorsitzenden Marion Hohenecker geleiteten Richtersenat am 136. Verhandlungstag im Februar. Sie musste 400 Euro Ordnungsstrafe bezahlen, da sie keinen im Gesetz vorgesehen Grund für ihr Ausscheiden geltend machen konnte.

Das Buwog-Verfahren wurde, wie in der StPO vorgesehen, von einem vierköpfigen Richtersenat entschieden, bestehend aus zwei Berufs- und zwei Laienrichtern. Schöffen müssen bei allen Verhandlungstagen dabei sein, entscheiden sowohl bei Verfahrensfragen (wie Ablehnungsanträgen gegen die Richterin) als auch beim Urteil mit. Nach dem Ende der Verhandlung tritt der Senat zur Beratung zusammen, der oder die Vorsitzende bespricht die Verfahrensergebnisse. Sobald die Beweislage und die rechtlichen Fragen erörtert sind, geht es an die Abstimmung. Zunächst wird über die Schuldfrage abgestimmt (die Schöffen sind zuerst dran). Wenn sie bejaht wird, geht es um die Strafhöhe.

Wer wie gestimmt hat, das bleibt geheim – die Regeln aber gehen so: Jede Stimme zählt gleich viel, die Mehrheit entscheidet. Allerdings kann gegen die Stimme des Berufsrichters kein Schuldspruch gefällt werden. Andersherum gesagt: Einen Freispruch kann der Berufsrichter auch gegen die Stimmen der Laienrichter durchsetzen. Bei Stimmengleichheit gilt die für den Angeklagten günstigere Entscheidung.

Plötzlich Schöffe

Die Laiengerichtsbarkeit ist in der Verfassung geregelt, sie schreibt fest, dass "das Volk an der Rechtssprechung mitzuwirken hat". Vorausgesetzt, es liegen keine Befreiungsgründe wie unverhältnismäßige persönliche oder wirtschaftliche Belastung vor, stehen österreichische Staatsbürger zwischen 25 und 65 Jahren auf den Schöffenlisten, ausgewählt wird nach dem Zufallsprinzip.

Und wie kann man es sich leisten, drei Jahre bei Gericht zu sitzen – ehrenamtlich, also ohne Entgelt? Finanzielle Nachteile müssen den Laienrichtern abgegolten werden, so will es das Gesetz. Angestellte werden zunächst vom Arbeitgeber weiterbezahlt, später ersetzt dann der Bund die Kosten. Selbstständige bekommen einen Pauschalersatz, weitergehenden Verdienstentgang dann, wenn sie ihn belegen können.

Die Buwog-Angeklagten haben die Arbeit der Schöffen allesamt gewürdigt, wobei: Weder Laienrichter noch der zweite Berufsrichter haben in den 168 Verhandlungstagen je eine Frage gestellt.

Nur einmal kam es rund um die Schöffen zu Aufsehen, und das wurde durch Karl-Heinz Grassers Verteidiger Manfred Ainedter gleich am neunten Verhandlungstag ausgelöst. Der Anwalt habe zwei Schöffen und zwei Ersatzschöffen in einer Pause "zu verstehen gegeben, dass man über ihr Privatleben recherchiert" habe, warf Richterin Hohenecker dem Anwalt vor, er wisse, dass das gar nicht gehe. Ainedter sah es ganz anders: Er habe doch nur Smalltalk betrieben. Das kam dann aber nicht mehr vor. (gra, 5.12.2020)