Ab 2022 wird in Deutschland nach Städtenamen buchstabiert, in der Zwischenzeit weicht man auf die Buchstabiertafel aus der Weimarer Zeit aus.

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Wie lautet die Adresse? K wie Kaufmann. O wie Otto. M wie Martha.... Wer kennt das nicht? Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, nutzt man die offizielle Buchstabiertafel, festgelegt in der DIN 5009. Da gibt es für jeden Buchstaben einen Namen. A wie Anton. B wie Berta.

Diese Namen sind seit Jahrzehnten die gleichen, sollen nun aber geändert werden. Ab 2022 wird in Deutschland dann gemäß einer DIN-Norm nach Städtenamen buchstabiert. "Das ist unverfänglich, man kann die Tafel ausgewogen gestalten und jedes Bundesland berücksichtigen", heißt es dazu im zuständigen Deutschen Institut für Normung (DIN).

Bis 2021 Namen aus der Weimarer Zeit

Übergangsweise aber werden 2021 wieder Namen aufgenommen, die auch schon beim Buchstabieren in der Weimarer Zeit verwendet wurden. So wird es künftig wieder Nathan statt Nordpol heißen, David statt Dora. Das hat der 15-köpfige Arbeitsausschuss des DIN beschlossen.

1934 haben die Nazis biblische Namen gestrichen, die als "jüdisch" aufgefasst wurden. NSDAP hätte man sonst so buchstabiert: N wie Nathan, S wie Samuel, D wie David... Aber man ersetzte David durch Dora, Samuel durch Siegfried, Nathan durch Nordpol, Zacharias durch Zeppelin. Es gab zwar nach dem Krieg ein paar Änderungen, aber einige Namen blieben verschwunden.

"Schönes Signal"

Dass sie nun wieder aufgenommen werden, geht auf eine Initiative von Michael Blume, dem Antisemitismus-Beauftragten von Baden-Württemberg, zurück. Er setzte sich beim DIN für die Änderung ein. "Mir geht es darum, dass die Tabelle der Nationalsozialisten nicht einfach weiter übernommen wird", sagt er. "Es ist ein schönes Signal für das Jahr, in dem wir 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschlands feiern, deutlich zu machen, wie die Tabelle ursprünglich aussah."

Wie sehr die "Nazi-Tabelle" immer noch nachwirkt, zeigt sich beim Buchstaben S. Dafür wird gemäß DIN 5009 eigentlich wieder Samuel, verwendet, im Alltag gebräuchlich ist aber immer noch Siegfried. 1997 erklärte der deutsche Medienpsychologe Clemens Schwender, der die Anleitungen zum Telefonieren in Berliner Telefonbüchern ab 1881 auswertete: "In der TV-Gameshow ,Glücksrad‘ buchstabieren die Kandidaten immer wieder ,S wie Siegfried’. So zeigen die zwölf Jahre, die eigentlich Tausend währen sollten, auch heute noch Wirkung. Samuel ist völlig ungebräuchlich, selbst Sekretärinnen, die es eigentlich gelernt haben sollten, benutzen das Wort kaum."

2022 Städtenamen

Doch 2022 sollen dann die Städtenamen kommen. "Diese Entscheidung wurde getroffen, da es bei einer Buchstabiertafel mit Vornamen sehr schwierig ist, die kulturelle Diversität der deutschen Bevölkerung genügend widerzuspiegeln", betont man im DIN. Und so eindeutig ist es manchmal ja auch nicht. Chantal wird gelegentlich in Deutschland "Tschantall" ausgesprochen. Welcher Buchstabe wäre damit wohl gemeint? (Birgit Baumann aus Berlin, 5.12.2020)