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Technology changes. War ist eternal. Was als Motto über so manchem Werk von US-Autorin Linda Nagata stehen könnte (wir erinnern uns an ihre großartige "The Red"-Trilogie), erhält in ihrem jüngsten Roman "The Last Good Man" eine höchstpersönliche Note. Erneut handelt es sich um knallharte Military SF aus der nahen Zukunft – noch näher sogar als seinerzeit in "The Red".

Ende einer langen soldatischen Tradition

Hauptfigur des Romans ist True Brighton, eine 49-jährige Veteranin der US-Armee, die den Dienst quittiert hat, weil Drohnen und Künstliche Intelligenzen immer mehr Soldaten den Job wegnehmen. Trues Verhältnis zur Technologie ist daher ambivalent. Als jemand, der aus einer Army-Familie stammt, die ihre Wurzeln im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg hat, sieht sie eine ehrwürdige Tradition sterben. Trotzdem will sie sich an die Umbruchszeit anpassen. Im Roman findet sie langsam sogar Gefallen an ihrer origami army: faltbaren Drohnen und Kleinrobotern aus dem 3D-Drucker.

Denn das Kämpfen an sich hat True nicht aufgegeben. In einer Zeit, in der immer mehr Aufgaben des Militärs von privaten Sicherheitsunternehmen übernommen werden (inklusive regionaler Kriegsführung), hat sie sich einer solchen Firma angeschlossen. Requisite Operations Incorporated wird von ihrem alten Kameraden Lincoln Han geleitet, dessen Körper so viele künstliche Ersatzteile enthält, dass er in älterer Science Fiction wohl als Cyborg bezeichnet worden wäre. Sein Herz aber schlägt noch am rechten Fleck. In bemerkenswert unzynischer Weise verfolgen Lincoln und True mit ihrem Unternehmen eine Politik der "right action": Sie führen ausschließlich moralisch rechtfertigbare Missionen durch (dies freilich mit aller gebotenen Härte).

Der Plot

Das ganze erste Drittel des Romans schildert einen solchen Einsatz – die Rettung eines Entführungsopfers aus der längst in Anarchie versunkenen "Tigris-Euphrat-Zone" (TEZ) – im Detail. Vom Feeling her erinnert das eher an "Black Hawk Down" oder die Serie "The Long Road Home" als an klassische SF – nicht zuletzt deshalb, weil wir uns technologisch wie politisch in einer sehr nahen Zukunft befinden. Und wie genau kennen wir schon den aktuellen Stand der Militärtechnik? Nach Science Fiction beginnt sich das Ganze erst so richtig anzufühlen, wenn wir die Protagonisten anschließend nach Hause begleiten. Wenn eine Überwachungsdrohne in Form eines Rehs durch ein Wohngebiet stakst, löst das schon einen stärkeren Fremdheitseffekt aus.

Die Mission war freilich nur der Auftakt für die eigentliche Handlung. In der TEZ kam Trues Einheit erstmals der geheimnisvolle Warlord Jon Helm in die Quere – und das wird für True zu einem erschütternden Erlebnis. Helm trägt nämlich ein Tattoo mit dem Namen ihres gefallenen Sohns, samt Zusatz "The Last Good Man". True hat keine Ahnung, wie sie das einschätzen soll. Und je tiefer sie dem Rätsel auf den Grund geht, desto mehr weitere Fragen tun sich auf: Hat Helm Verbindungen zum State Department? War ihr Sohn in Kriegsverbrechen verwickelt? Und haben ihr Ehemann Alex und Partner Lincoln davon gewusst? True ist wild entschlossen, auf diese Fragen Antwort zu finden – selbst wenn das bedeutet, dass sie sich von den Menschen, die ihr am nächsten stehen, abwenden muss.

Der Krieg in all seinen Aspekten

Linda Nagata ist eine erfreulich vollständige SF-Autorin. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass für sie die Menschen im Mittelpunkt stehen. Trotzdem drückt sie sich – anders als einige derzeit hochgejubelte Berufskolleginnen – nicht um die technologischen Aspekte herum. Im Gegenteil, sie geht so ausführlich auf die (Militär-)Technologie ein, dass man sie glatt für eine Eisenfresserin halten könnte. Auf die entsprechende Terminologie übrigens auch: Ob MRE (meal ready to eat), IED (improvised explosive device) oder QRF (quick reaction force), E-Book-Leser sind hier etwas im Vorteil, weil sie die unzähligen im Roman verwendeten Drei-Buchstaben-Abkürzungen sofort nachschlagen können.

Zusätzliche Erdung erhält die Geschichte noch dadurch, dass Nagata auch auf die wirtschaftlichen Zwänge und die rechtlichen Rahmenbedingungen eingeht, unter denen Soldaten und Söldner in dieser Welt agieren (etwa was die Abstimmung zwischen staatlichen Armeen und privaten Sicherheitsunternehmen betrifft). Es ist Military SF in höchster Vollendung, eingebettet in eine Familiengeschichte um Rache, Trauer und Reue – angesiedelt in einer Zukunft, die nur wenige Stunden entfernt scheint.