Die Orbiter-Rückkehrkapsel-Kombination kurz vor dem Andocken aus Sicht der Aufstiegsstufe. Links im Hintergrund ist die Erdsichel zu sehen.
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Peking – Der chinesischen Mondsonde Chang'e 5 ist am Sonntag eines der schwierigsten Manöver ihrer Mission gelungen: Die Aufstiegsstufe mit dem von der Mondoberfläche geborgenen Material an Bord dockte in der Umlaufbahn des Erdtrabanten automatisch erfolgreich an den Orbiter an, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Es war das erste Roboter-Koppelmanöver im Mondorbit in der Geschichte der Raumfahrt. Rund zwei Kilogramm Mondgestein sind demnach im Anschluss sicher in der Rückkehrkapsel verstaut worden.

Chinesische Fahne gehisst

Bevor die Austiegsstufe am Donnerstag wieder abgeflogen ist, pflanzte sie auf dem Lander noch eine zwei Meter breite und 90 Zentimeter hohe chinesische Flagge auf, was Begeisterung im Milliardenvolk ausgelöst hat. Rund 440 Millionen Nutzer haben die Nachricht vom Hissen der roten Flagge mit den fünf Sternen auf dem Erdtrabanten bis Montag im Kurznachrichtendienst Weibo gelesen.

Anders als die Fahnen der Apollo-Missionen Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre, deren Stangen die Astronauten in den Mondstaub gesteckt hatten, steht der Flaggenmast auf einem ausgeklappten Arm des zurückgelassenen Landers. Eine Kamera zeigte die rote Fahne vor dem Mondhorizont. Schon bei den beiden vorhergegangenen Mondlandungen Chinas 2013 und 2019 zeigten die Lander aufgedruckte Nationalflaggen – aber es ist jetzt die erste, die tatsächlich auf dem Mond "weht".

An seinem Landeplatz nördlich des Vulkanberges Mons Rümker hisste der Lander eine zwei Meter breite chinesische Flagge.
Foto: AFP/ CNSA/CNS

Die sechs Fahnen, die die US-Astronauten auf dem Mond gelassen haben, dürften nach Nasa-Angaben nicht überdauert haben. Die Fahne von Apollo 11 bei der ersten bemannten Mondlandung wurde nach Angaben des Astronauten Edwin "Buzz" Aldrin von den Raketendüsen umgeweht, als er mit Neil Armstrong vom Mond abgehoben hat. "Ich schaute lange genug, um zu sehen, wie die Flagge umfiel", schrieb er in seinem Buch.

US-Flaggen in traurigem Zustand

Alle anderen Fahnen dürften vom ultravioletten Licht und den extremen Temperaturen auf dem Mond zwischen minus 150 Grad und plus 150 Grad ausgeblichen worden sein und dürften sich aufgelöst haben. Die Nylon-Flagge von Apollo 1 war 1969 für 5,50 US-Dollar in einem Kaufhaus besorgt worden. Bei späteren Beobachtungen einer Mondsonde 2009 wurde festgestellt, das zumindest die Flaggenmasten von Apollo 12, Apollo 16 und Apollo 17 wohl noch stehen.

Chinas Flagge wurde speziell entwickelt. Material und Farben sollen die widrigen Umstände viel länger überdauern. "Eine gewöhnliche Fahne von der Erde würde das harsche Mondklima nicht überleben", sagte Cheng Chang vom Entwicklungsteam laut Staatsmedien. China zeige seine Flagge als "Anerkennung der Errungenschaften und der Durchbrüche, die wir gemacht haben, was die wertvollste Sache sein wird", wurde der Raumfahrtexperte Song Zhongping zitiert.

Komplexes Rendezvous

Dem Andocken in 200 Kilometern Höhe über der Mondoberfläche, für das das Zeitfenster nur dreieinhalb Stunden offen stand, waren insgesamt vier Bahnkorrekturen vorausgegangen. Der obere Abschnitt des torusförmigen Orbiters mit seiner Wiedereintrittskapsel war bis kurz vor dem Rendezvous mit der Aufstiegsstufe von einer Druckübertragungs- und Schutzhülle umgeben, die in den letzten Minuten vor dem Kontakt abgeworfen wurde. Während die Annäherung zunächst noch ferngesteuert ablief, erfolgte ab einer Distanz von 100 Kilometern das Manöver automatisch.

Video: Das Dockingmanöver und der Transfer der Gesteinsproben.
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Als die Aufstiegsstufe nahe genug war, erfasste sie der Orbiter mit neun, in drei Dreiergruppen angeordneten Greifklauen an drei sternförmig angeordneten, waagrechten Griffstangen auf der Oberseite der Aufstiegsstufe. Kurz nach dem 21 Sekunden dauernden Koppelmanöver transferierte ein am Orbiter montierte Greifer die Behälter mit den Bodenproben in die Wiedereintrittskapsel und versiegelte diese, was eine Kontamination mit irdischem Material verhindern soll. Wenige Stunden später koppelte die Aufstiegsstufe vom Orbiter ab, der bis zum optimalen Zeitpunkt für die Rückkehr zur Erde in einer Mondumlaufbahn blieb.

Das Manöver galt als einer der komplexesten Schritte auf dem Flug zurück zur Erde. Zwar hat China mit seinen Raumschiffen bereits mehrere automatische Rendezvous in der Erdumlaufbahn vorgenommen, aber nie zuvor in 380.000 Kilometer Entfernung. Nach den bemannten Mondlandungen der USA in den 1960er- und 1970er-Jahren ist es auch das erste Mal, dass im Mondorbit ein Dockingmanöver ohne Astronauten gelungen ist.

Die Bildkombination aus dem Raumfahrtkontrollzentrum Peking zeigt eine Animation des Koppelmanövers (oben) und die erfolgreich an der Rückkehrkapsel angedockte Aufstiegsstufe (unten).
Foto: EPA/CNSA

Vorarbeiten für bemannte chinesische Mondmission

Die Mond-Mission gilt als weiterer wichtiger Schritt in Chinas ambitioniertem Weltraumprogramm. Die junge Raumfahrtnation will Erfahrungen sammeln, mit denen in Zukunft auch eine bemannte Landung auf dem Mond gelingen kann.

Es ist das erste Mal seit 44 Jahren, dass wieder Gesteinsproben auf dem Mond gesammelt wurden und zur Untersuchung auf die Erde gebracht werden sollen. Bei einer erfolgreichen Rückkehr wäre China nach den USA und der Sowjetunion erst die dritte Nation, der ein solches Vorhaben gelungen ist.

Video: Landung aus Sicht des Landers.
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Forscher warten nun mit Spannung auf die Mondproben, die jünger sind als alles, was die USA und die Sowjetunion an Gestein eingesammelt hatten. Die Untersuchungen könnten neue Erkenntnisse über die vulkanische Phase der Mondgeschichte liefern. Die Apollo-Missionen der USA hatten rund 380 Kilogramm Mondgestein mitgebracht. Die Sowjetunion sammelte mit unbemannten Missionen etwa 300 Gramm ein.

Rückkehr für Mitte Dezember geplant

Im nächsten Schritt der chinesischen Mondmission wird sich die Rückkehrkapsel von der Aufstiegsstufe trennen und auf den richtigen Zeitpunkt für die Rückkehr zur Erde warten, wie Xinhua berichtete. Die Landung wird Mitte Dezember in der Inneren Mongolei erwartet.

Die Mondmission Chinas erfolgt 51 Jahre nach der ersten bemannten Mondlandung der USA am 21. Juli 1969, bei der Neil Armstrong und Edwin "Buzz" Aldrin als erste Menschen die Oberfläche des Erdtrabanten betraten. Die USA haben sechs Mal Astronauten auf den Mond gebracht. Mit Apollo 17 im Dezember 1972 stellten die USA ihre bemannten Mondlandungen ein.

Chang'e 5 war am 23. November mitteleuropäischer Zeit vom Raumfahrtbahnhof in Wenchang auf der südchinesischen Insel Hainan gestartet. Am 1. Dezember setzte der Lander in einem nach dem deutschen Astronomen Carl Rümker (1788-1862) genannten Vulkangebiet auf. Es liegt im Oceanus Procellarum, dem "Ozean der Stürme", am westlichen Rand der erdzugewandten Seite des Mondes. (red, APA, 6.12.2020)