Staatschef Nicolás Maduro hat in Venezuela die Kontrolle über das Parlament zurückgewonnen.

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Caracas – Staatschef Nicolás Maduro hat in Venezuela die Kontrolle über das Parlament zurückgewonnen. Wahlleiterin Indira Alfonzo erklärte am Montag, über 67 Prozent der Wähler hätten für Kandidaten der Regierungspartei gestimmt. Die Wahlbeteiligung lag im von einer schweren Wirtschaftskrise gebeutelten Land jedoch nur bei 31 Prozent, nachdem Oppositionsführer Juan Guaidó zum Wahlboykott aufgerufen hatte.

Zweifel an fairer Wahl

Die Opposition hatte zum Boykott aufgerufen, weil aus ihrer Sicht keine faire Abstimmung zu erwarten war. Auch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte bereits im Vorfeld erklärt, die Voraussetzungen für eine freie und faire Wahl seien nicht gegeben. "Venezuela hat eine neue Nationalversammlung für die Periode 2021 bis 2026. Ein großer Sieg – ohne Zweifel – der Demokratie", sagte Maduro nichtsdestotrotz in einem auf Twitter veröffentlichten Video nach Bekanntgabe vorläufiger Wahlergebnisse in der Nacht auf Montag (Ortszeit).

Letzte Bastion

Mit dem Ergebnis ist den Sozialisten die Rückeroberung der letzten staatlichen Bastion in Händen der Opposition gelungen. Der Kongress war 2015 in einem Erdrutschsieg an Regierungsgegner gegangen. Kongress-Präsident Juan Guaidó rief sich anschließend zum Interims-Präsidenten bis zu aus seiner Sicht legitimen Wahlen aus. Über 50 Staaten, darunter die USA und Österreich, erkannten ihn als rechtmäßigen Vertreter Venezuelas an.

Der neue Kongress konnte jedoch keine politischen Ziele umsetzen, da diese vom regierungsnahen Obersten Gericht einkassiert wurden. Zudem schufen die Sozialisten 2017 die Verfassungsgebende Nationalversammlung. Dieses mit regierungstreuen Vertretern besetzte Gremium steht über dem Kongress. 2018 wurde zudem Maduro in einer von vielen Staaten nicht anerkannten Wahl im Amt des Staatschefs bestätigt.

Vielfältige Probleme

Maduro konnte sich bisher mit Hilfe des Militärs, der Funktionäre seiner Partei PSUV (Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas) und der Unterstützung von Russland, Kuba, China und dem Iran im Amt halten. Dabei ist der Reformdruck in dem Land riesig. Die Löhne vieler Venezolaner reichen nicht zur Deckung des Lebensunterhalts. Seit dem Niedergang der Wirtschaft unter Maduro und seines ebenfalls linken Vorgängers Hugo Chávez, der 2013 nach 14 Jahren im Amt verstarb, haben rund fünf Millionen Bürger das Land verlassen. Dabei ist Venezuela das Land mit den weltweit größten Erdölreserven.

Das Wahlergebnis könnte Maduro helfen, ausländische Unternehmen für Investitionen in die marode Ölförder-Infrastruktur zu interessieren. Diese Firmen müssen allerdings mit Sanktionen der USA rechnen. Der US-Sonderbeauftragte für Venezuela, Elliott Abrams, hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters erklärt, es gebe im US-Kongress eine breite, parteiübergreifende Übereinstimmung, diesen Kurs beizubehalten. Damit scheint ein Nachlassen des internationalen Drucks auf das südamerikanische Land auch nach Amtsübernahme des US-Wahlsiegers Joe Biden in der Nachfolge Donald Trumps unwahrscheinlich. (APA, AFP, 7.12.2020)