Die Kinder gehen nach drei Wochen Lockdown nun zum Unterricht wieder in die Schule – im Bild eine Volksschule in Wien-Favoriten.

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Die Wiedersehensfreude ist groß. Die vier Mädchen im Teenageralter fallen einander um den Hals, als sie sich nach mehreren Wochen zum ersten Mal wiedersehen. Alle tragen Mund-Nasen-Schutz, schon vor dem Schulgebäude. Dieser Montag ist der erste Tag nach dem Schul-Lockdown. Auch die Schülerinnen und Schüler der Sportmittelschule in der Wittelsbachstraße im zweiten Wiener Gemeindebezirk haben nun wieder Unterricht vor Ort. "Wir sind das schon gewohnt", sagt eines der Mädchen dazu, dass sie nun ihre Maske auch während des Unterrichts tragen muss. Das ist seit Montag neu: Kinder ab zehn Jahren sind im Schulgebäude den ganzen Tag über verpflichtet, Mund und Nase zu bedecken. Man werde sich einfach daran halten, weil das die Vorgabe sei, sagt die Schülerin. Wobei sie fürchtet, dass das nicht alle so sehen werden. "Manche Lehrer sind da sehr chillig", sagt sie. Und meint, dass nicht alle Pädagogen kontrollieren werden, ob die Schüler die Regel auch befolgen.

Die benachbarte Volksschule in der Wittelsbachstraße hat am Montag noch schulfrei aufgrund des Zwickeltags. Auf der anderen Seite des Donaukanals, im dritten Bezirk, herrscht in der Volksschule Kolonitzgasse bereits erstmals wieder Regelbetrieb. Die Direktion hat einige Maßnahmen ergriffen, um den Betrieb so sicher wie möglich zu gestalten. So wurde im Vorfeld kommuniziert, welche Kinder bei welchem Eingang abzugeben seien, dass Eltern das Gebäude nicht betreten dürfen und dass darauf zu achten sei, keine Menschenansammlungen vor den Eingangsbereichen zu bilden – sprich, die Abstandsregeln einzuhalten.

Zum Deutschlernen in der Schule

"Wir fühlen uns sehr sicher", sagt die Mutter eines Buben, der in die zweite Klassen geht. In der Zeit des Lockdowns habe er auch die angebotene Betreuung besucht. Das habe sehr gut funktioniert, auch die Übungen seien in der Schule erledigt worden. "Das klappt in der Schule besser als zu Hause", ist die Mutter überzeugt.

Eine andere Mutter berichtet, dass ihre Tochter die Betreuung besucht habe, um die Sprachkenntnisse zu forcieren. Zu Hause spreche man nicht Deutsch, da sei es wichtig, dass das Kind in die Schule gehen könne – auch während eines Lockdowns. "Gesundheit steht an erster Stelle", sagt die Frau. Aber es sei ihr auch wichtig, dass ihre Tochter gefördert werde. Die Schulleitung habe wichtige Sicherheitsvorkehrungen getroffen, sagt sie.

Ein Vater begleitet seinen Sohn, der ebenfalls während des Lockdowns hier betreut wurde, zum Schulgebäude. "Ich bin selbstständig, wir haben vier Kinder, meine Frau arbeitet im Kindergarten" – da habe man keine andere Wahl gehabt. Die Kinder seien im Corona-Jahr ohnehin sehr gefordert, weil viele Freizeitaktivitäten nicht möglich seien. Umso wichtiger sei es, dass die Schule nun wieder weitergeht: "Die Normalität tut den Kindern gut."

Unterricht von Profis

"Heute ist ein guter Tag für das Bildungssystem", sagte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bei einer Pressekonferenz. Er habe sich dafür eingesetzt, dass die Pflichtschulen ihre Pforten wieder öffnen dürfen. Die Homeschooling-Phase sei im Vergleich zum Frühjahr kurz gewesen – es sei aber gut, dass das Unterrichten nun wieder die Profis übernehmen, und das seien die Lehrerinnen und Lehrer, so Faßmann.

Der Minister hebt hervor, dass auch die Maturaklassen wieder vor Ort unterrichtet werden. Das sei wichtig, weil sie sonst Zeit dafür verlieren, sich auf die Abschlussprüfungen vorzubereiten: "Unternehmern kann man Umsätze rückerstatten, die Zeit kann man den Schülern aber nicht zurückgeben."

Mehr Tests im Bildungssystem

Sein Ziel sei, dass im neuen Jahr die gesamte Oberstufe wieder in den Präsenzunterricht zurückkehrt, so Faßmann. Zentrale Begleitmaßnahme sollen Testungen sein. Er kündigt eine zweite Testrunde für Pädagogen an, auch Schülerinnen und Schüler sollen vermehrt getestet werden.

Am Wochenende fand der erste Testdurchgang statt. Nicht nur Lehrerinnen und Lehrer, auch Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen waren dazu aufgerufen. Faßmann zieht hier eine positive Bilanz. In den sechs Bundesländern, von denen die Zahlen für Pädagogen herausgerechnet vorliegen, haben sich 72 Prozent testen lassen. "Das ist ein großartiger Wert", sagt der Bildungsminister. "Es zeugt von einem hohen Verantwortungsgefühl, dass die Angebote angenommen wurden." In Wien, Tirol und Vorarlberg wurden und werden Pädagogen im Zuge der Massentests getestet.

0,24 Prozent haben ein positives Ergebnis erhalten. Das klingt nach wenig, so Faßmann, aber es seien immerhin 300 Personen, die Kolleginnen, Kollegen und Kinder hätten anstecken können: "Wir haben Infektionsketten gemeinsam und erfolgreich durchbrochen."

Faßmann ist überzeugt, dass Tests bis zum Start der Impfphase Teil des Alltags bleiben werden. Neben den Flächentests für Lehrerinnen und Lehrer habe man nun in allen Bundesländern auch Vorkehrungen für Anlasstestungen getroffen – mobile Testteams fahren in die Schule und nehmen Antigentests vor, wenn ein Verdacht besteht. Der Unterricht könne dank dieser Vorgehensweise normal weitergehen. Wien hat für schnelle Abklärungen Gurgeltestkits an die Schulen geschickt.

Maske das "gelindere Mittel"

Zur Verpflichtung zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes für Kinder ab der Sekundarstufe I sagt der Minister, dass er die Sorgen verstehe. Die Masken seien aber das "gelindere Mittel", und der Unterricht vor Ort könne dadurch wiederaufgenommen werden. "Die Schule ist kein Operationssaal", ruft Faßmann aber auch dazu auf, die Regelung "mit Sensibilität, Sachverstand und Güte im Klassenzimmer zu handhaben". So könne der Mund-Nasen-Schutz abgenommen werden, wenn gelüftet wird – ebenso bei der Jause. Auch wenn ein Kind klagt, dass es schlecht Luft bekommt, müsse die Maske selbstverständlich abgenommen werden.

In der Sportmittelschule in der Wittelsbachstraße stehen eine halbe Stunde nach Unterrichtsbeginn die Fenster im ersten Stock weit offen. Ein Bild, das man im Dezember so nicht sehen würde. Ihre dicken Winterjacken haben die Schüler vermutlich nicht in der Garderobe gelassen, sondern ins Klassenzimmer mitgenommen. (Rosa Winkler-Hermaden, 7.12.2020)