Wien – In den heimischen Einkaufszentren und -Straßen sind am Montagvormittag die Rollläden wieder aufgegangen. Markt- und Handelsforscher rechneten bei der Wiedereröffnung am 7. Dezember mit einem regelrechten Run auf Baumärkte, Elektronik- und Spielzeughandel.

Die Sorge, dass es zu Massenaufläufen kommen könnte, rief die Politik wiederholt auf den Plan. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat erneut an die Bevölkerung appelliert, das "Einkaufsbedürfnis zu verteilen". "Es sind noch viele Tage bis Weihnachten", sagte Kurz bei einer Pressekonferenz: "Es geht immer wieder die Sonne auf. Es öffnen immer wieder die Geschäfte am nächsten Tag."

Blick auf den Parkplatz der SCS am Montag. Hier ist ziemlich viel los.
Foto: APA/Robert Jäger

Nicht alle wollen darauf warten, wie der Lokalaugenschein an verschiedenen Orten Österreichs zeigt. Jana und Melanie betreten Arm in Arm eingehängt den Salzburger Europark. Der ist am Montagvormittag gut besucht in die Weihnachtsshoppingzeit gestartet. Die beiden Teenagerinnen wollen nach Weihnachtsgeschenken Ausschau halten, was genau sie suchen, wissen sie noch nicht. "Wir schauen einmal durch", kichern sie unter ihren Masken.

Schnell zum Handyshop

Ein Plakat weist darauf hin, dass "derzeit der Verzehr von Speisen und Getränken in der Mall aufgrund der Maskenpflicht behördlich leider nicht gestattet ist". Dahinter schlürft ein Pärchen einen frisch gepressten Saft, ihr Mund-Nasen-Schutz ist für den Strohhalm im Mund zur Seite geschoben. Die meisten Restaurants im Europark haben immer noch geschlossen, nur einige Gastronomiebetriebe bieten Abholmöglichkeiten und Lieferservice an.

Eine junge Frau huscht eilig durch die Gänge des Einkaufszentrums. "Ich muss nur schnell zum Handyshop", sagt sie auf die Frage, warum sie gerade heute Einkaufen geht. Schnell wird das nicht gehen, denn vor dem Shop hat sich bereits eine Schlange gebildet. Im Inneren ist bereits die maximale Kundenanzahl erreicht. Beim Friseur gegenüber ist viel weniger los, die Mitarbeiter warten aufgereiht am Eingang auf Kundschaft.

Schlangen da und dort

Im benachbarten schwedischen Möbelriesen ist der Andrang ungleich größer. Obwohl derzeit keine günstigen Köttbullar zum Kauf von Duftkerzen und Servietten locken, ziehen die Shoppingbegeisterten in einer Karawane durch das Möbellabyrinth. Da hilft auch der Plüsch-Babyelefant nicht mehr, um auf das Abstandhalten hinzuweisen. "Die Zahlen schauen gut aus", sagt ein Mitarbeiter sichtlich zufrieden zu einem Kollegen. Die Schlangen an den Kassen reichen bis zum Ende des Lagers zurück.

Auch im Westen Österreichs – hier der Innsbrucker Sillpark, das größte innerstädtische Einkaufszentrum der Stadt – wird heute gerne besucht.
Foto: Victoria Bischof

Noch weiter westlich herrscht ebenfalls emsiges Treiben. Beim Innsbrucker Einkaufszentrum Dez lenkte am Montagvormittag die Feuerwehr den Andrang am Parkplatz in geordnete Bahnen. Auch sonst scheint man für alle Fälle gerüstet: An den Eingängen sind Sicherheitsmitarbeiter postiert, die bei Bedarf Masken an die Kunden austeilen und Desinfektionsmittel anbieten. In den Geschäften selbst geht es vormittags teils hektisch her. Auf die Abstandsregeln wurde da zuweilen auch vergessen. Auch der Sillpark im Zentrum der Tiroler Landeshauptstadt war für einen Montagvormittag gut besucht. An der Zufahrt zur Parkgarage staute es sich kurzfristig. Noch waren keine Sicherheitskräfte im Einsatz. Ob das so bleibt, ist ungewiss.

Rabatte, Rabatte

Im Osten dürften die Appelle der Politik zumindest außerhalb großer Shopping-Agglomerationen wie der SCS in Vösendorf im Großen und Ganzen fruchten – auch wenn so mancher Riese keineswegs Abstand von den vielgescholtenen Rabatten nahm, die vor dem zweiten Lockdown Menschen in Massen in die Geschäfte lockten. Am Montag geht es vergleichsweise gesittet zu. Ein Ansturm bei der SCS in Vösendorf ist nach Polizeiangaben ausgeblieben. Chefinspektor Johann Baumschlager sprach gegenüber der Austria Presseagentur von einer etwa 75-prozentigen Auslastung der Parkplätze. Es habe im Außen- wie im Innenbereich keine nennenswerten Probleme gegeben.

Die Exekutive war mit einem entsprechend starken Aufgebot bei dem Einkaufstempel vor den Toren Wiens vertreten. Der Sprecher der Landespolizeidirektion Niederösterreich betonte, dass die Beamten im Fall des Falles auf Dialog mit den Konsumenten setzen würden. Da und dort ist die Nervosität aber mit Händen zu greifen.

Ruhe vor dem Sturm?

Im Wiener Donauzentrum, das zu den größten Einkaufszentren des Landes zählt, sind alle Sitzbereiche wie vom Boden verschluckt. Allein Spuren im Teppich und einsame Handyaufladestationen sind geblieben. "Bei uns herrscht Korbpflicht", erinnert die Verkäuferin eines Accessoiregeschäfts an die begrenzte Zahl an Kunden, denen Zutritt gewährt wird. Gefahr, überrannt zu werden, besteht keine.

"Im Internet bei Amazon sind die Leute, nicht bei uns", seufzt die Verkäuferin eines kleines Uhrenhändlers. Mit einem Ansturm auf den Handel nach dem Lockdown hat sie nie gerechnet. Sie hofft auf zumindest ein paar Kunden, die Beratung "und ein Lächeln wollen. Ein bisserl sieht man es ja doch hinter der Maske."

Stiefelkönigs Abschied

Lange Schlangen bilden sich rundum allein vor einem Nagelstudio und einer Stiefelkönig-Filiale. Diese ist die letzte Österreichs. Ihr Eigentümer Leder & Schuh löste die Marke schon vor Jahren auf und schließt nun auch den einsam verbliebenen Standort im Donauzentrum. 50-Prozent-Rabatte auf alles leiten sein Ende ein. Drei Leute sichern den Eingang, die Kunden harren davor in manierlichem Abstand.

Der Schuhhändler ist nicht der einzige, der schließt. Etliche Geschäfte kündigen nicht nur im Einkaufscenter, sondern auch über der Donau in der Wiener Innenstadt ihre Auflösung an. Bummeln lässt es sich an diesem Montag Vormittag hier noch weitaus entspannter. Menschenmassen wälzen sich weder über die Rotenturmsttraße, noch über den Graben. Seitengassen sind völlig verwaist. Im Goldenen Quartier herrscht Ebbe. Allein wer zu Louis Vuitton will, muss Schlange stehen. In fast allen anderen Nobelboutiquen sucht man kaufkräftige Kunden vergeblich.

Schubweise

In einem Spielwarengeschäft in der Taborstraße im zweiten Wiener Gemeindebezirk werden um zehn Uhr vormittags Päckchen geschnürt. "Alles schon vor dem Lockdown bestellt", sagt eine Verkäuferin. Jetzt sei Zeit, sich dem Verpacken zu widmen, denn gleich nach dem Aufsperren sei schon einiges los gewesen. "Es kommt halt so schubweise." Leicht sei das alles nicht, deutet sie mit dem Kopf nach hinten ins Lokal. Viel Platz ist hier zwischen den aufgetürmten Spielwaren nicht. Sie scheint froh, dass zu dieser Stunde nur drei Kunden im Laden sind.

Auch im Einkaufszentrum in Wien-Mitte ist der Andrang am Vormittag überschaubar. Die Verkäuferin in einem kleinen Geschäft im ersten Stock will sich nicht zitieren lassen. Aber auch sie ist sichtlich erleichtert, dass der Ansturm ausgeblieben ist. Dass der Chef das auch so sieht, glaubt sie eher nicht. Sie spricht hier einigen aus der Seele. "Für die, die sich Sorgen machen, und für die Pandemiebekämpfung ist das sicher gut", sagt auch Patrick Eder, Filialleiter beim Augenoptiker Wutscher. Für Geschäftsleute sei das hingegen kein Segen.

Selbst auf der Wiener Shoppingmeile schlechthin, auf der Mariahilfer Straße, sind zwischen Neubaugasse und Zweierlinie wenige Menschen unterwegs – nicht mehr als an jedem anderen Montag auch. Großen Abverkauf gibt es im Möbelgeschäft Leiner – die Schließung steht ja bevor. Beim Eingang stehen die üblichen Desinfektionsmittel. Ob es Masken gibt für die Vergesslichen? Nein, gibt es nicht, aber man könne ja welche kaufen, da hinten nahe der Kassa und in der Vorteilspackung, so ein Mitarbeiter (und erteilt damit laut Kika und Leiner falsche Auskunft. In allen Häusern gebe es Gratismasken für die Kunden, Anm.).

Auch Humanic hat seine Lektion gelernt: Rabatte gibt es wohl, minus 20 Prozent, aber die Hinweise darauf sind diesmal diskret und klein an den Schaufenstern angebracht. Menschenschlangen vor der Eingangstür wie vor dem Lockdown gibt es hier am Vormittag nicht. (Steffen Arora, Regina Bruckner, Renate Graber, Stefanie Ruep, 7.12.2020)