Am Montagmorgen ermöglichte es eine kurze Auflockerung den Einsatzkräften, sich zumindest mancherorts einen Überblick zu verschaffen. Doch die Wolken zogen bereits wieder zu, und weitere Niederschläge werden erwartet.

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Lienz / Spittal an der Drau – "In Heiligenblut schneit es schon wieder, und im Drautal hat der Regen auch früher wieder eingesetzt, als wir es erwartet haben", fasste Markus Lerch von der Abteilung Sicherheit der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau die angespannte Lage am Montagvormittag zusammen. Seit dem Wochenende kämpfen die Einsatzkräfte in Tirol, Kärnten und Teilen Salzburgs mit den Folgen starken Schneefalls und Regens. In Oberkärnten und Osttirol wurden sogar Rekorde der Drei-Tages-Niederschlagsmengen und der Dezemberschneehöhen verzeichnet, wie die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) mitteilte.

Für die Behörden und Einsatzkräfte kam der Wintereinbruch nicht überraschend, erklärte Osttirols Bezirkshauptfrau Olga Reisner: "Es ist Dezember, und da ist Schnee bei uns keine Seltenheit." Zwar fielen die Niederschlagsmengen diesmal besonders hoch aus, doch man war gewarnt und hatte vorgesorgt. So wurden in Talschaften, in denen es im Winter regelmäßig zu Straßensperren wegen Neuschneemengen kommt, schon vergangene Woche strategisch Rettungskräfte stationiert. Damit war die Versorgung der Bevölkerung zu jedem Zeitpunkt gesichert. Sogar chronisch Kranke, wie etwa Dialysepatienten, wurden vorsorglich evakuiert und, wenn nötig, für die Zeit der Sperren im Spital untergebracht.

Bevölkerung und Einsatzkräfte sind vorbereitet

Vielerorts waren wegen umgestürzter Bäume und Lawinenabgängen die Stromversorgung sowie das Straßennetz unterbrochen. So auch im Osttiroler Prägraten, wo schon am Freitag große Lawinenabgänge Evakuierungen nötig machten. Alpinpolizist Florian Brunner ist im Ort stationiert und berichtete am Montagvormittag dem STANDARD, dass die Lage zwar angespannt, aber unter Kontrolle sei: "Im Ortsteil Bobojach und in exponierten Randlagen mussten wir seit Freitag insgesamt 25 Häuser evakuieren. Die rund 100 Personen konnten in der Zwischenzeit bei Verwandten und Nachbarn unterkommen." Viele Bauern besitzen zudem Notstromaggregate, mit denen Stromausfälle überbrückt werden. "Wir sind gut vorbereitet, das ist ja nicht der erste Schneefall hier", sagte Brunner.

Wintereinbruch in Tirol.
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Am Montagmorgen ermöglichte ein Nebelfenster einige Erkundungsflüge für die Helikopter. Dabei habe man gesehen, dass es auch in der Nacht auf Montag wieder zu zahlreichen großen Lawinenabgängen gekommen war, so Brunner. Das sorge für etwas Entspannung am Berg, doch von Entwarnung sei man noch weit entfernt. Die Bevölkerung nehme die Situation mit relativer Gelassenheit hin, bestätigt der Alpinpolizist: "Alle sind sehr diszipliniert, und man hilft in dieser Ausnahmesituation zusammen."

Schnee und Regen sorgen für Probleme

Die starken Niederschläge bringen auch das Kanalnetz im Lienzer Becken an seine Grenzen, bestätigt Bezirkshauptfrau Reisner. Doch man habe auch das so weit im Griff, die Gefahr größerer Überflutungen bestehe vorerst nicht. Anders die Lage im Kärntner Mölltal und in Nussdorf-Debant, wo die Einsatzkräfte zusätzlich zum Schneefall auch mit Murenabgängen und lokalen Überschwemmungen zu tun haben.

Wie viele Ortschaften aktuell von der Außenwelt abgeschnitten sind, ist schwer zu benennen, denn die Lage ändere sich permanent, wie Lerch von der BH Spittal sagt. Doch man stehe mit allen Einsatzkräften in regelmäßigem Kontakt, und die Situation sei unter Kontrolle. In Tirol wie auch in Kärnten versuchen die Stromversorger zudem die unterbrochenen Leitungen schnellstmöglich zu reparieren.

Am Montagnachmittag waren in Osttirol rund 2200 Haushalte, vor allem im Lesach- und Villgratental, ohne Stromversorgung. Zwei zusätzliche Hubschrauber waren im Einsatz, um Störungsstellen zu erkunden und Monteure ins unwegsame Gelände zu fliegen. Zudem versuchten sie, den Schnee durch den Abwärtswind ihrer Rotorblätter, neudeutsch "Downwashing" genannt, von den Leitungen zu blasen. Im Nordtiroler Ötztal konnte die Stromversorgung am Montag weitgehend widerhergestellt werden.

Aufgrund der anhaltenden Niederschläge und der damit verbundenen Behinderungen blieben die Schulen in Osttirol und dem hinteren Ötztal sowie in den betroffenen Kärntner Gemeinden am Montag geschlossen.

Sperre der Brennerstraße, Autobahn wieder frei

Auch in Nordtirol kommt es wegen des Wintereinbruchs zu regionalen Behinderungen. So musste die Brennerbundesstraße am Montag zwischen dem Gasthof Stefansbrücke und Schönberg wegen mehrerer Hangrutschungen gesperrt werden. Diese Sperre wird voraussichtlich bis Weihnachten aufrecht bleiben, hieß es seitens der Behörden. Die Brennerautobahn A13 konnte am Montagnachmittag wieder frei befahren werden, nachdem auf Südtiroler Seite die Sperre bei Sterzing aufgehoben wurde. Die Bahnlinie über den Brennerpass bleibt voraussichtlich noch bis Dienstag gesperrt.

Auch im Ötztal sorgen Schneemassen für Probleme. Ab Sölden kam es taleinwärts zu Straßensperren. Der Felbertauern, die Verbindung von Nord- nach Osttirol, blieb am Montag ebenfalls unpassierbar.

Rekord-Niederschlagsmengen in Tirol und Kärnten

Wie groß die Niederschlagsmengen waren, zeigen die aktuellen Zahlen der Zamg. In Oberkärnten und Osttirol fielen von Freitag bis Sonntag verbreitet zwischen 100 und 300 Millimeter Niederschlag, vereinzelt bis knapp 370 Millimeter, wie in Kornat im Lesachtal. "An einigen Messstationen gab es neue Rekorde der Drei-Tages-Niederschlagsmenge", zog Klimatologe Alexander Orlik eine erste Bilanz. So bedeuten 298 Millimeter in Lienz in Osttirol einen neuen Rekord. Bisher war der höchste Wert hier 259 Millimeter im November 1966. Rekordwerte meldete auch Döllach im Oberen Mölltal in Kärnten mit 238 Millimetern.

Im Lesachtal konnte ein Helikopterflug für einen medizinischen Notfall nicht durchgeführt werden.
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Da die Schneefallgrenze stark schwankte und es in vielen Tälern zeitweise regnete, brachten die extremen Niederschlagsmengen in den meisten Regionen keine neuen Schneerekorde. Eine der Ausnahmen ist St. Jakob im Defereggen. Hier wurde auf 1.383 Meter Seehöhe mit einer Schneehöhe von 142 Zentimetern ein neuer Stationsrekord der Dezemberschneehöhe erreicht. Der alte Rekord lag bei 113 Zentimetern im Dezember 2008.

In Kornat in Kärnten wuchs die Schneehöhe am vergangenen Wochenende bis auf 88 Zentimeter. Der Dezemberrekord liegt hier bei 130 Zentimetern im Jahr 1979. Sillian lag mit 132 Zentimetern Schneehöhe relativ knapp unter dem aktuellen Dezemberrekord von 150 Zentimetern im Jahr 1990.

Weiter starker Schneefall erwartet

Die Wetterberuhigung am Montag wird nur kurz währen, sagt Gerhard Hohenwarter von der Zamg in Klagenfurt: "Am Dienstag und am Mittwoch bringt das nächste Italien-Tief in Oberkärnten und in Osttirol wieder verbreitet Schneefall bis in die Täler. Dabei kommen nochmals um die 50 Zentimeter Neuschnee dazu, vereinzelt auch um die 100 Zentimeter, zum Beispiel im Lesachtal." Ab Donnerstag sieht es derzeit nach einer nachhaltigen Beruhigung des Wetters aus. Gegen Wochenende dürfte zwar über Italien nochmals ein Tiefdruckgebiet entstehen, es liegt nach aktuellem Stand der Prognose aber zu weit südlich, um sich auf Österreich auszuwirken.

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) wollte sich am Montag zusammen mit dem Leiter des Lawinenwarndiensts, Rudi Mair, selbst ein Bild der Lage in Osttirol machen. Doch aufgrund der Wetterlage war ein Durchkommen mit dem Hubschrauber von Nordtirol aus nicht möglich, weshalb man es "auf dem Landweg" versuchen wollte. Die Landesregierung wird am Montagnachmittag zur aktuellen Situation beraten und hat den Betroffenen in Osttirol bereits "schnelle und unbürokratische Hilfe" zugesichert. (Steffen Arora, 7.12.2020)