Wer so wie ich am 12. August 1979 sein letztes Autorennen gesehen hat – danach war es mir einfach schad um die Zeit –, muss schon zweimal hinschauen beim "BMW SIM-Racing", um zu erkennen, dass er anderen beim Computerspielen zuschaut. René Arnoux, Niki Lauda, Clay Regazzoni, Hans-Joachim Stuck, Keke Rosberg und Mario Andretti mussten sich samt dem Österreichring noch in einem Schwarz-Weiß-Fernseher, der nicht größer als eine aufgestellte Schuhschachtel war, drängen. Beim virtuellen BMW-Rennen fahren Leute gegeneinander, von denen ich noch nie gehört habe, das aber formatfüllend und realitätsnäher als die Formel 1 vor 41 Jahren auf meinem 30-Zöller. Und sie fahren in einer schonungslosen Art, als würden Autos nix kosten, Reifen ewig halten und Crashes keine körperlichen Gebrechen nach sich ziehen. Doch genau so ist es ja auch.
Im echten Leben, mit dem Erbsenzähler aus dem Rennteam im Nacken, würde kein Rennfahrer so brutal neben einem anderen in die Kurve stechen, während er um einen Platz abseits der goldenen Ananas fährt. Obwohl, auch die BMW-Werksfahrer drücken nicht nur das echte Gaspedal, sondern auch jenes der Konsole. Erstens, weil die Simulationen so gut sind, dass man auch im Pyjama seine Rundenzeiten verbessern kann. Zweitens, weil es billiger und wohl auch umweltfreundlicher ist, virtuell im Grenzbereich herumzujonglieren – vor allem, wenn man manchmal dabei das Auto verliert.
Und das kommt schon einmal vor. Etwa im finalen Lauf des BMW SIM M2 CS Racing Cup in der ersten Kurve, wo sich gleich mehrere Autos aufarbeiten, um gleich darauf weiterzufahren, als ob nix gewesen wäre. Kein Spoiler fliegt, kein Blech biegt sich, kein Aua bei keinem Fahrer. Ja, so kann man leicht eiskalt draufbleiben und auch noch nach dem allerletzten Moment bremsen.
Während sich hinter ihm die anderen Fahrer nichts schenken, fährt Erhan Jajovski vorne weg und sichert sich die 2.000 Euro Preisgeld. Im SIM 120 Cup, in dem mit virtuellen M8 GTE gefahren wird, ist das Bild in der ersten Runde ein ähnliches. Wären es echte M8-Renner, käme man mit dem Weinen nicht nach. Aber so? Da kann man sich das Gerangel entspannt auf Youtube anschauen, ohne nervös werden zu müssen. Was auch einige Fans machen. Nicht nur wegen der Rennen, sondern auch, weil BMW SIM Racing für das Event Premieren ankündigte.
Die eine Neuigkeit soll die Brücke zwischen echten Autos und Simulation noch weiter schließen. So wird es künftig möglich sein, das originale Lenkrad aus dem BMW M4 GT3 – der schon in der Simulation gefahren werden kann, bevor er in Echt unterwegs ist – zu kaufen, das dann auch am Rennsimulator verwendet werden kann. Das gab's noch nie.
Die zweite Neuigkeit soll eine Brücke zu diversen Partnerschaften schlagen, die wegen des extensiven Simalationsrennfahrens schon angespannt sind. Mit dem Hybrid-Möbelstück "Fusion SL Concept" hat man zusammengeklappt einen Couchtisch, aufgeklappt einen Rennsimulatur. Na, wir werden sehen, ob das für eine glückliche Partnerschaft reicht – wenn da hin und wieder ein Büschl Blumen nicht erfolgsversprechender ist.
Und wenn man sich das durchrechnet, sind die Primeln locker drinnen. Einen echten BMW M4 GT3 im eigenen Rennstall zu bewegen wird sich für die meisten von uns finanziell nicht ausgehen. Schon gar nicht, wenn man ihn jedesmal in der ersten Kurve in einen weiteren wirft. Da kann man sich beim SIM-Racing schon viel Geld sparen. Und sogar eines gewinnen, wenn man zu den Besten zählt. Der Sieger des Finales des BMW SIM 120 Cup auf der Simulationsplattform iRacing, Joshua Rogers, erhielt 12.000 Dollar Preisgeld. Da gehen sich jede Woche ein paar Sträußln für die Liebste aus. Wenn sie die dann nur nicht auf den Couchtisch mit dem integrierten Simulator stellt. (Guido Gluschitsch, 8.12.2020)