Wien – Wer heuer das mittlerweile zehnte Rennen um den größten unwissenschaftlichen Unfug des Jahres macht, ist noch nicht entschieden. Aber es ist wohl kein Wunder, dass sich die Finalisten des Wettbewerbs um das Goldene Brett vorm Kopf 2020 mit teils gefährlichem Unsinn rund um die Corona-Pandemie hervorgetan haben. Aus den 315 Einreichungen haben es folgende drei auf die Shortlist geschafft:

Michael Ballweg, Unternehmer und Gründer der "Querdenker"-Initiative.
Foto: imago images/Arnulf Hettrich

Michael Ballweg – "Querdenker"

Querdenken war bisher eigentlich positiv besetzt, was der deutsche Unternehmer Michael Ballweg jedoch macht, hat mit vernünftigem Skeptizismus wenig zu tun: Ballweg wurde 2020 als Gründer der "Querdenker"-Initiative bekannt, die sich gegen Corona-Schutzmaßnahmen sträubt und damit auch gutes Geld verdient. Kritik an Corona-Maßnahmen wäre in einer Demokratie zweifellos legitim. Die Querdenker-Bewegung ist allerdings kein Klub, der bestimmte Maßnahmen wissenschaftlich-rational hinterfragt. Vielmehr entwickelte sie sich zu einem Sammelbecken für Verschwörungstheorien unterschiedlichster Art. Wissenschaft und Politik werden als bedrohliche Elite betrachtet, "der man das Handwerk legen muss". So wird die Querdenker-Bewegung zum optimalen Komplizen für politischen Extremismus, bis hin zur Reichsbürger-Bewegung und der QAnon-Verschwörungstheorie.

Sucharit Bhakdis Buch "Corona Fehlalarm?" geriet zum Bestseller.
Foto/Cover: Goldegg Verlag/Peter Pulkowski

Sucharit Bhakdi – Arzt und Bestsellerautor

Mit seinem Buch "Corona Fehlalarm?", das sich fatalerweise rasch zum Bestseller entwickelte, wurde der Arzt Sucharit Bhakdi berühmt. Einige seiner Thesen wurden von Experten als extrem verharmlosend bezeichnet. Bhakdis Wunsch, man möge "die Masken abnehmen", stieß logischerweise auf heftige Kritik. Immerhin hat sich seine These, dass es "keine zweite Welle" geben werde, eindrucksvoll ad absurdum geführt.

Trotzdem korrigierte Bhakdi seine Falschaussagen nicht, sondern stand zur Freude seiner Fans weiterhin zu seinen widerlegten Thesen, denen er als Wissenschafter – Bhakdi ist schließlich Infektionsepidemiologe – zu einer scheinbaren wissenschaftlichen Legitimation verhalf, auch wenn sie nicht nur gesunden Menschenverstand, sondern auch dem Konsens der Wissenschaft widersprachen. Als beliebter Fernsehgast ("Corona-Quartett", Servus TV) wurde Bhakdi zum bezeichnenden Beispiel für das False-Balance-Problem: Wenn in den Medien dem anerkannten Konsens der Wissenschaft eine radikale Außenseitermeinung wie jene von Bhakdi scheinbar auf Augenhöhe entgegengestellt wird, ist ein faktenbasierter Diskurs kaum mehr möglich.

Der als veganer Koch und Kochbuchautor bekannt gewordene Attila Hildmann bei einer Kundgebung vor dem Berliner Reichstag.
Foto: imago images/Stefan Zeitz

Attila Hildmann – der Verschwörungs-Influencer

Bekannt wurde Attila Hildmann eigentlich als veganer Koch und Kochbuchautor, der mit großem Erfolg soziale Medien nutzt – von Videoblogs bis Telegram. Dort machte Hildmann häufig auch die Corona-Pandemie zum Thema: Die Maßnahmen der Regierung bezeichnete er als "Corona-Diktatur" und sprach von einer drohenden "Zwangsimpfung" durch Bill Gates. Im wirren Netz aktueller Verschwörungstheorien knüpft Hildmann fast überall an – von Chemtrails bis Aliens, von 5G-Funkanlagen bis Impfskepsis, von Freimaurern bis zu radikal rechten und antisemitischen Behauptungen.

Was für Außenstehende auf den ersten Blick vielleicht eher lächerlich als bedrohlich wirkt, kann rasch zur ernsten Gefahr werden: Wer vielleicht nur mit einer solchen Verschwörungstheorie sympathisiert, wird in den reichweitenstarken Social-Media-Kanälen von Attila Hildmann in eine düstere Parallelwelt eingesogen, in der man von einer angeblichen Verschwörung zur nächsten weitergereicht wird, bis man sich in ein extremistisches Weltbild verstrickt hat, völlig losgelöst von belegbaren Fakten.

Preisverleihung am 15. Dezember

Das Goldene Brett wird von einer deutsch-österreichischen Initiative vergeben, in Österreich zeichnen die Wiener Skeptiker, der lokale Ableger der Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), dafür verantwortlich. Die Preisverleihung des von einer Fachjury ausgewählten Siegers findet heuer virtuell statt und wird am 15. Dezember ab 20 Uhr via Facebook, Youtube und der Website Goldenesbrett.guru gestreamt. (red, 7.12.2020)