Als Stadtrat im neugeschaffenen Zukunftsressort soll sich Ex-Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) nun um den Klimaschutz in Wien kümmern. Zur Umsetzung vieler Projekte ist er aber auf andere Ressorts angewiesen.

STANDARD: Die SPÖ hat den Neos das Bildungsressort überlassen, Sie waren lange mit dem Thema befasst: Ist die Enttäuschung groß?

Czernohorszky: Ich hatte in meiner aktiven politischen Zeit immer die beiden Standbeine Umwelt und Bildung. Als Bildungsstadtrat war mir die Bildung natürlich das wichtigste Anliegen. Da hört man nicht ohne Wehmut auf. Dieses weinende Auge kann ich trocknen, weil ich mit Stolz auf die vergangenen Jahre zurückblicke. Wir konnten große Meilensteine auf den Weg bringen: die Gratis-Ganztagsschulen, Summer-City-Camps oder die Bildungsgrätzel. Ich habe diesmal das Bildungskapitel mitverhandelt und kann sagen, das waren Gespräche von Partnern, die eindeutig die gleichen großen Ziele verbinden.

Stadtrat Jürgen Czernohorszky übernimmt neue Aufgaben: darunter Klima und Umwelt.
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Rot-Pink hat für Sie ein Zukunftsressort geschaffen, in dem das Thema Umwelt und Klimaschutz liegt. Die Grünen wollten immer ein eigenes Klimaschutzressort einführen. Will die SPÖ dem Ex-Koalitionspartner das Öko-Image streitig machen?

"Es ist im Kern auch eine soziale Frage, wenn die großen Klimasünder Ressourcen verschleudern und die Menschen in der Stadt die Leidtragenden sind."

Czernohorszky: Die SPÖ ist eine Ökopartei. Das erste Klimaschutzprogramm der Stadt ist 1999 beschlossen worden. Seither hat sich viel getan, etwa im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien oder dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Es ist keine parteipolitische Frage, ob wir alle Schritte setzen, um unsere Welt zu retten und eine Zukunft für unsere Kinder sicherzustellen, in der die Lebensqualität für alle gleich groß ist. Es ist im Kern auch eine soziale Frage, wenn die großen Klimasünder Ressourcen verschleudern und die Menschen in der Stadt die Leidtragenden sind.

STANDARD: Jugendpolitik liegt hingegen nicht im Zukunfts-, sondern im Bildungsressort. Ist das nicht eine Lücke, schließlich betrifft sie der Klimawandel besonders stark?

Czernohorszky: Es gibt ein ziemlich großes Packerl an Arbeit, das schon auf meinem Schreibtisch liegt, das ist die Mission, die wir mit der Kinder- und Jugendstrategie beschlossen haben. Das ist der Auftrag von über 22.000 Kindern und Jugendlichen, die wir befragt haben. Ihre Topthemen sind Umwelt, Klima und Nutzung des öffentlichen Raums. Die meisten Kritikpunkte, das meiste Lob und die meisten Arbeitsaufträge sind zu diesen Themen gekommen.

Noch als Bildungsstadtrat gab Jürgen Czernohorszky eine Befragung von Kindern und Jugendlichen in Wien in Auftrag. 22.000 nahmen teil.
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Was ist das erste Projekt, das daraus umgesetzt wird?

Czernohorszky: Die Aufträge werden auf Geschwindigkeit überprüft. Vieles betrifft Grünraum. Parks, deren Ausgestaltung und die Mitgestaltung durch Kinder und Jugendliche. Wir wollen dort etwa die Zahl der Wasserspielmöglichkeiten verdoppeln. Ein Megathema ist bei ihnen auch das Wiener Wasser: Es soll einen flächendeckenden Zugang zu Trinkbrunnen geben. Das sind einige der Aufgaben für die nächsten Jahre.

STANADRD: Im Koalitionsprogramm ist geplant, dass umgerechnet alle 18 Tage ein neuer Park entstehen soll. Wo sollen diese Grünflächen in der dichtbebauten Stadt Platz finden?

Czernohorszky: Wir sind als Stadt stark gewachsen und haben immer noch über 50 Prozent Grünraum. Das soll prozentuell mehr werden: mehr Bäume, Pflanzen, Parks und Gstätten. Grünraum braucht es überall. Allein mit den heute schon fix geplanten Parks werden in den nächsten Jahren 400.000 Quadratmeter neue Grünflächen geschaffen – das sind 100 Fußballfelder. Die riesengroßen Flächen gehen nur in neuen Stadterweiterungsgebieten. In der Innenstadt wird es mehr Fantasie und kleinteilige Angebote brauchen.

STANDARD: Wie kann das aussehen?

"4.500 Baumpflanzungen pro Jahr sind eine große Nummer. Zahlreiche bestehende Parks werden zeitgemäß und naturnah adaptiert und zum Teil vergrößert."

Czernohorszky: Wir haben in den vergangenen Jahren viel Erfahrung gesammelt mit Fassadenbegrünung, bei der Öffnung von Durchhäusern oder Innenhöfen. Oder mit dem Prinzip der Schwammstadt. Das sind Maßnahmen, die wir als Werkzeugkasten zur Verfügung haben. Wir haben tausende Bäume gepflanzt. Wir haben vereinbart, noch einmal einen Zahn zuzulegen. 4.500 Baumpflanzungen pro Jahr sind eine große Nummer. Zahlreiche bestehende Parks werden zeitgemäß und naturnah adaptiert und zum Teil vergrößert.

STANDARD: Im Rahmen des Projekts "Raus aus dem Asphalt" sollen Asphaltflächen aufgebrochen werden. Ein Megaprojekt, das zuletzt realisiert wurde, ist der neue Busparkplatz Schönbrunn. Hier sind Grünflächen versiegelt worden. Wird es in Zukunft solche Projekte in der Stadt geben?

Czernohorszky: Es darf nur noch Projekte geben, die keinen negativen Beitrag zu Hitzeinseln und Hitzeschneisen in der Stadt leisten. Das genannte Projekt ist meiner Meinung nach so eines. Das Stadtklima muss viel stärker in den Planungsprozess einbezogen werden.

STANDARD: Der Schwarzenbergplatz gilt als einer der Hitzehotspots in der Stadt – wäre das ein Ort für eine Asphaltaufbrechung?

Czernohorszky: Es gibt zwei Wege. Den des Pragmatismus, also überall dort, wo es leicht möglich ist. Wir haben etwa gerade ein großes Neubauprojekt für die Wasserversorgung. Und jedes Mal, wenn eine Straße aufgebrochen wird, wird die Straße gleich neugestaltet. Zusätzlich gibt es den Weg der Evidenz. Wir wissen, wo in der Stadt die Hitzeinseln sind. Dort muss man als Erstes hinschauen.

Jede Straße, die aufgerissen wird, soll neu gestaltet werden, plant Klimaschutzstadtrat Jürgen Czernohorszky.
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Stadtplanung und Verkehr fallen nicht in Ihren Verantwortungsbereich. Kann man Klimaschutz ohne Verkehr denken?

Czernohorszky: Klimaschutz kann nicht ohne Verkehr funktionieren; auch nicht ohne Wohnbau, Stadtplanung oder Energie. Wenn man glaubt, man könne Klimaschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe in ein Ressort packen, hat man die Herausforderung nicht verstanden. Es geht nur, wenn wir an allen Schrauben gemeinsam drehen. Wir haben uns hohe Ziele gesetzt, wie die Klimaneutralität bis 2040, die Verdoppelung der erneuerbaren Energien in den nächsten zehn Jahren, Zero Waste bis 2050 – das sind Ziele, die nur gehen können, wenn wir als Stadtregierung an allen Zahnrädern drehen. Jede einzelne Stadträtin, jeder Stadtrat ist Klimastadtrat. Das ist im Regierungsprogramm klar ausgedrückt.

STANDARD: Was können Sie als Klimaschutzstadtrat selbst umsetzen, wenn das Thema eine komplette Querschnittsmaterie ist?

Czernohorszky: Zwei wichtige Maßnahmen, die wir auf den Boden bringen müssen, sind der Klimacheck und das Klimabudget. Das sind große Steuerungsinstrumente. Sehr zentrale Aufgaben liegen im Stadtklima und Grünraum, ein weiteres großes Thema für mich ist der Weg weg von einer Wegwerfgesellschaft hin zu einer Kreislaufgesellschaft. Unser Ziel: jeden einzelnen Stoff, der in unserer Stadt weggeworfen wird, zu recyceln. Das betrifft Nahrungsabfälle genauso wie Kreislaufwirtschaft beim Bauen. Die nächste große Schraube ist die erneuerbare Energie. Wir erzeugen beispielsweise aus Klärgasen, aus Deponiegasen und aus der bestehenden Wärme des geklärten Wassers Energie.

STANDARD: Wie soll der Klimacheck funktionieren, beziehungsweise was passiert, wenn er negativ ausfällt?

"Wenn der Klimacheck negativ ausfällt, muss das Projekt abgeändert werden."

Czernohorszky: Es wird einen Klimacheck für klimarelevante Gesetze und alle Maßnahmen in der Stadt geben, der prüft, ob es einen positiven oder negativen Beitrag auf das Stadtklima hat. Und wenn, wie man diesen beziffern kann.

STANDARD: Ihre Vorgängerin, Klimaschutzstadträtin Birgit Hebein (Grüne), hat gerade in der Vergangenheit stark auf temporäre Maßnahmen gesetzt, temporäre "coole Straßen" oder Pop-up-Radwege beispielsweise. Wie stehen Sie zu zeitlich begrenzten Projekten?

Czernohorszky: Jedes Kind weiß, dass der zentrale Begriff beim Klimaschutz Nachhaltigkeit ist. Dafür braucht es den politischen Weg, die langfristige und konsequente Umsetzung von Projekten. Insofern bin ich kein Freund von Aktionismus. (Oona Kroisleitner, 10.12.2020)