Ist der April warm und niederschlagsarm, steigen die Chancen, dass auch der Sommer sehr trocken wird.

Foto: André Künzelmann, UFZ

"Gibt's im April mehr Regen als Sonnenschein, wird warm und trocken der Juni sein": Früher mag diese Bauernregel vielleicht einmal gegolten haben, mittlerweile aber dürfte der Klimawandel einige der ehemaligen Gesetzmäßigkeiten über den Haufen geworfen haben. So fanden deutsche Wissenschafter nun heraus, dass in Mitteleuropa die Temperatur- und Niederschlagsmuster im Monat April maßgeblich darüber entscheiden, ob die Böden im anschließenden Sommer überdurchschnittlich trocken sind oder nicht. Die neue "Bauernregel" lautet also: Ist der April zu warm und niederschlagsarm, wird auch eine Sommerdürre sehr wahrscheinlich.

Eine Ursache für die wiederkehrende April-Trockenheit und die damit steigende Dürregefahr hat das Team ebenfalls identifiziert. Abnehmende Temperaturunterschiede zwischen der Arktis und den mittleren Breiten führen im April zu einer Verlagerung des Jetstream und der Herausbildung eines blockierenden Hochdrucksystems über der Nordsee und Teilen Deutschlands. Dieses wiederum beschert Mitteleuropa dann viel zu warmes und trockenes Aprilwetter, berichten die Forscher im Fachjournal "npj Climate and Atmospheric Science".

Einflussreicher Frühling

"Mitteleuropa ist seit der Jahrtausendwende wiederholt von sommerlichen Hitzewellen und Dürreperioden getroffen worden, die Schäden in Milliardenhöhe verursacht haben. Diese Extremereignisse richtig vorherzusagen, scheiterte bislang jedoch daran, dass der Einfluss des Frühlings unterschätzt wurde", sagt Monica Ionita, Klimatologin und Expertin für Wettervorhersage am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). "Aus diesem Grund haben wir beschlossen, die Zusammenhänge zwischen den Wetterlagen im Frühling und im darauffolgenden Sommer genauer zu untersuchen – und zwar für den gesamten Zeitraum, in dem ausreichend Beobachtungsdaten vorlagen. Das waren am Ende die zurückliegenden 140 Jahre."

Für die Analyse nutzten Ionita und ihre Kollegen Klimamodellierungen sowie ein statistisches Verfahren, welches die AWI-Forscherin selbst entwickelt hat und bereits erfolgreich für die Langfristvorhersage von Flusswasserständen anwendet. Die Ergebnisse zeigen: Die Temperatur- und Niederschlagsentwicklung im Monat April haben sich in den zurückliegenden 14 Jahren grundlegend verändert. "Während es in den Monaten März und Mai kaum Veränderungen gab, war der Monat April im Zeitraum 2007 bis 2020 im Durchschnitt drei Grad Celsius wärmer als im Vergleichszeitraum 1961 bis 1999. In extremen Jahren wie 2018 war der April sogar so warm, dass der im Winter gefallene Schnee im Frühling quasi direkt verdunstet ist und keine Chance hatte, in Form von Schmelzwasser im Boden zu versickern. Außerdem hat es seit 2007 in den meisten Regionen Mitteleuropas im April nur halb so viel geregnet wie im Vergleichszeitraum", erklärt Ionita.

Schwindende Feuchtigkeit

Ausbleibende Niederschläge aber waren in den zurückliegenden 14 Jahren nur das eine Problem: "Die zunehmende April-Wärme hat dazu geführt, dass im Boden gespeicherte Feuchtigkeit verdunstet ist. Infolgedessen wiesen die Böden in Mitteleuropa, vor allem aber in Deutschland, bereits im Frühjahr ein deutliches Feuchtedefizit auf. Dieses Minus konnte in der Regel bis zum Sommer nicht mehr ausgeglichen werden. Das heißt: Die sommerliche Dürresituation der Böden wurde bereits im April vorprogrammiert", ergänzt Rohini Kumar, Hydrologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Ko-Autor der neuen Studie.

Welche Wetterlage über Mitteleuropa aber führt neuerdings immer wieder zu Rekordwärme und -trockenheit im Frühlingsmonat April? "Unsere Analyse zeigt, dass sich in diesem Zeitraum ein blockierendes Hochdrucksystem über der Nordsee und Teilen Norddeutschlands bildet, welches den Jetstream Richtung Norden ablenkt und bis zu zwei Wochen lang für sonniges, niederschlagsarmes Wetter in Mitteleuropa sorgt", erläutert Ionita. Eine Phase mit ähnlich geringen Niederschlägen im April gab es schon mal im Zeitraum von 1881 bis 1895. Damals aber war es nicht so warm, sodass weniger Bodenfeuchtigkeit verdunstet ist und die heutzutage beobachtete Langzeitwirkung ausblieb. "Die schwerwiegenden Folgen dieser Frühjahrstrockenheit sind also maßgeblich auf die steigenden Lufttemperaturen zurückzuführen", ordnet Ionita ein.

Geringere Temperaturunterschiede zwischen Arktis und mittleren Breiten

Ob das blockierende Hochdrucksystem auch in Zukunft das Aprilwetter in Mitteleuropa bestimmen wird, kann noch nicht eindeutig vorhergesagt werden, weil das Klima natürlichen Schwankungen unterliegt. Einen Antrieb aber haben die Wissenschafter in ihrer Studie identifizieren können: "Eine Ursache für die Entstehung des stabilen Hochdruckgebietes sind die abnehmenden Temperaturunterschiede zwischen der Arktis und den mittleren Breiten im Frühling. Der für Mitteleuropa wetterbestimmende Jetstream verläuft unter diesen Bedingungen auf einem Wellenkurs und erlaubt es dem Hochdrucksystem, sich über der Nordsee festzusetzen", sagt Ionita.

Klimaszenarien zufolge werden diese Ausgangsbedingungen auch künftig gegeben sein. Allerdings wird das Hochdruckgebiet seltener entstehen, wenn es gelingt, das Pariser Klimaziel einzuhalten und die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. "Steigen die Temperaturen über dieses Ziel hinaus, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich dieses Hochdruckgebiet bildet. Der Monat April wird dann in Mitteleuropa weiterhin viel wärmer und trockener ausfallen als noch vor 20 Jahren und damit die Weichen stellen für flächendeckenden Wassermangel und ausgedörrte Böden den ganzen Sommer lang", so die Forscherin. (red, 13.12.2020)